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Victoria

Deutsche Einwanderung im 19. Jahrhundert in Victoria - Überblick

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen ein paar einzelne Deutsche in Port Phillip an (wie Victoria damals hieß), zum Beispiel ein Herr Von Bibra, der aus einer alten bayerischen Adelsfamilie stammte. Er siedelte im September 1835 von Launceston in Tasmanien nach Victoria über. Die irisch-deutschen Brüder von Steiglitz, die große Ländereien in Tasmanien hatten, zogen im Juni 1836 von dort nach Victoria.

Die erste bedeutende Einwanderung begann 1849, als die ersten größeren Einwanderergruppen aus Hamburg ankamen. Damals gab es einen Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitern in Victoria, und außerdem konnten Leute, die Wein kultivieren wollten, keine Weinbauern aus Großbritannien bekommen. Führende Persönlichkeiten in Melbourne betrachteten den Erfolg der deutschen Einwanderung in Südaustralien mit Respekt und wollten Auswanderer ermutigen, von Deutschland nach Victoria zu kommen. In einem Leitartikel in der Zeitung Port Phillip Gazette Anfang Dezember 1846 stand folgendes:

A healthy, useful, and moral emigration has been taking place during the last five years between Germany and South Australia. Our Adelaide contemporaries speak in the highest terms of their German colonists (...) We do not envy our neighbours their good fortune in possessing such a useful class of Colonists; but we think that, if possible, this District ought to take some steps to obtain a supply from the German Ports. (...) Port Phillip possesses many agricultural Districts, which would be eminently fitted to receive these hard-working emigrants.

William Westgarth, ein erfolgreicher Melbourner Geschäftsmann, war die führende Persönlichkeit bei der Organisation der deutschen Einwanderung in Victoria, und er war der Vorsitzende des German Immigration Committee, das 1849 gebildet wurde. Die Hamburger Reederei J.C. Goddefroy und Sohn und der Bremer Auswanderungsagent Eduard Delius organisierten die Reise selbst. Der Colonial Land Fund sollte die Überfahrten bezahlen, solange die Einwanderer alle Landwirtschaftsarbeiter wären. Dies verursachte später eine Kontroverse, als man herausfand, dass nur wenige der Einwanderer auf dem ersten Schiff dieses Kriterium erfüllten.

Die ersten Einwanderungsschiffe waren:

Punkt die Goddefroy, am 13. Februar 1849. 117 Einwanderer gingen an Land (42 segelten nach Adelaide weiter)
Punkt die Wappaus, am 7. März, 131 Erwachsene
Punkt die Dockenhuden, am 21. April, 99 Passagiere (alle konnten lesen und schreiben; damals bemerkten Leute, dass die meisten deutschen Einwanderer lesen und schreiben konnten, im Gegensatz zum britischen Durchschnittseinwanderer)
Punkt die Emmy, am 19. Dezember

Die meisten der Einwanderer waren Lutheraner aus dem Norden Deutschlands, hauptsächlich aus Preußen (viele aus der Provinz Schlesien) und Sachsen. Die meisten von ihnen kamen in Familiengruppen, und eine beträchtliche Zahl waren Sorben, die zweisprachig Deutsch/Sorbisch waren.

Einige der deutschen Einwanderer zogen nach Geelong (es gab ein „Geelong Committee on German Immigration“) und im Sommer 1849-50 gründeten acht Familien (Bauern aus Züllichau in der preußischen Provinz Brandenburg) eine Siedlung in der Nähe von Geelong, die als Germantown bekannt war. Im Ersten Weltkrieg wurde der Name Germantown in Grovedale umbenannt, das heute ein Vorort von Geelong ist.

Lutherische Gottesdienste begannen am Weihnachtstag 1849 in der Independent Church in der Collins Street. Im Jahre 1853 wurde Pastor Matthias Goethe Melbournes erster ständiger lutherischer Pastor, und die erste lutherische Kirche Melbournes wurde 1854 errichtet. Die heutige Kirche wurde 1874 gebaut.

Foto: Kirche
„View of East Melbourne, including the German Lutheran Church“, 1874 (linke Seite)
(La Trobe Picture Collection, State Library of Victoria)

Die deutschen Einwanderer führten die deutsche Tradition des Weihnachtsbaums in Australien ein. Theodor Müller, der der Dichter der deutschen Bevölkerung Victorias wurde, beschrieb später in einer Zeitschrift in Deutschland, wie der deutsche Verein Melbournes zu Weihnachten 1850 „den ersten deutschen Christbaum unter dem Himmel des südlichen Kreuzes“ zum Genuss der Kinder der Stadt aufstellten. Auch der Gouverneur Victorias bewunderte diesen Weihnachtsbaum. Diese Tradition wurde bei den britischen Kolonisten populär.

(Foto © D. Nutting) Westgarthtown KircheIm März 1850 gründete eine Gruppe von deutschen und sorbischen Siedlern aus Mecklenburg, Brandenburg, Sachsen und Schlesien das gut kooperierendes Bauerndorf Westgarthtown mit der Hilfe des bekannten Melbourner Geschäftsmanns William Westgarth 16 km nördlich von Melbourne. Im Laufe der Jahre war das Dorf unter verschiedenen Namen bekannt: im Jahre 1850 Keelbundora (nach der Gemeinde, in der es lag); ~1851 Dry Creek; ~1855 New Mecklenburg; ~1860 Westgarthtown; seit etwa 1900 ist es Teil des Vororts Thomastown.

In verschiedenen Teilen Melbournes entstanden mehrere kleine deutsche Siedlungen, zum Beispiel Hawthorn, Richmond, Collingwood, Boroondara und Northcote (viele lebten in der Separation Street; der alte Friedhof in dieser Straße hat viele Grabsteine mit Inschriften auf Deutsch, aber leider wird er nicht besonders gut gepflegt). In diesen Gegenden lebten die Deutschen natürlich unter den Briten. Weiter entfernt vom Stadtzentrum wurden deutsche Siedlungen in Harkaway (bei Berwick) und im heutigen Doncaster gegründet (zuerst hieß der Ort Breslau und später Waldau - siehe eine Liste deutscher Ortsnamen in Australien).

Die Entdeckung von Gold im Jahre 1851 in Victoria brachten Tausende deutschsprachiger Abenteurer und Einwanderer in die Kolonie. Deutsche Goldsucher waren die größte Nationengruppe in Victoria, hinter den Briten und den Chinesen. Eine führende Persönlichkeit bei der Eureka Stockade, der tragischen Rebellion der Bergarbeiter in Ballarat, war Friedrich Wern aus Hannover. Nach der Goldsuche blieben viele deutschsprachige Einwanderer in Australien und leisteten viel für Victoria und das Land insgesamt. Etwa 14 deutsche Vereine wurden in ländlichen Gegenden gegründet.

Image: AnzeigeIm Jahre 1852 kamen deutschsprechende Sorben aus dem Barossa-Tal, die bessere und größere Grundstücke suchten, in den Südwesten Victorias, nachdem sie positive Berichte über das Land gehört hatten, das sie dort kaufen könnten. Sie zogen in die Gegend um die heutige Stadt Hamilton und konnten schließlich mehrere deutschsprachige Niederlassungen gründen wie: Hochkirch (jetzt Tarrington) und Gnadenthal, in der Nähe von Penshurst (1853). Hochkirch wurde nach dem Städtchen Hochkirch in der Lausitz in Sachsen (im Südosten von Deutschland) benannt. In der Nähe von Hochkirch waren die meisten der sorbischen/wendischen Siedler geboren. Zunächst nannten sie die Ansiedlung Bukecy; „Hochkirch“ ist die deutsche Entsprechung des sorbischen Namens Bukecy. Bis 1869 hatte Hochkirch 850 Einwohner. Es gab eine Schule, Bibliothek und einen Zeitungsverleger, alles lief in deutscher Sprache ab. Unter den frühen Siedler-Familien waren Hufs, Petschels und Mibus (Hochkirch), und Bürgers und Mirtschins (Gnadenthal). Oscar Muellers Zeitungsverlag war auch ein großes Druckunternehmen und druckte viele Veröffentlichungen für die lutherische Kirche in Südaustralien und Victoria. Mueller inserierte auch in den deutschen Zeitungen Melbournes (dieses Beispiel aus „Germania“, 26/3/1864).

(Foto © D. Nutting) Straßenschild

Image: Anzeige

„Gesucht, ein deutsches Mädchen,
das gut waschen kann.“
Anzeige in „Australische Deutsche Zeitung“ 4/11/1870.
Der Geschäftsmann J.H. Jennings besaß das Australian Tea Warehouse in der Elizabeth St, Melbourne.

In den 50er und 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts war eine erhebliche Zahl von Deutschen unter den führenden Persönlichkeiten in den wissenschaftlichen und künstlerischen Organisationen Melbournes zu finden, zum Beispiel der Botaniker Baron Ferdinand von Mueller, der Zoologe Gerhard Krefft, der Astronom Georg von Neumayer und die Künstler Eugen von Guérard und Ludwig Becker, um nur einige zu nennen. Deutsche spielten bei Victorias tragischer Burke & Wills Expedition eine bedeutende Rolle.

Die Herrnhuter (oder mährische Brüder), eine Missionsgruppe mit Sitz in Sachsen, betrieb Missionsstationen unter den Ureinwohnern Victorias, zum Beispiel die Ebenezer Mission im Wimmera-Gebiet (1859-1904), und die Ramahyuck Mission beim Lake Wellington in Gippsland (gegründet 1862).

In den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts fingen deutsche Bauern aus dem Western District Victorias und aus Südaustralien an, Victorias südliche Wimmera-Gegend zu besiedeln. Viele Dörfer entstanden, einge mit deutschen Namen (Kirchheim, Grünwald, Kornheim), einige mit Namen der Sprache der Ureinwohner der Gegend. Diese deutschen Siedler trugen viel zur Entwicklung der Weizenindustrie im Wimmera-Gebiet bei.

(Foto © R. Gosling) PellaIn den 80ern und 90ern zogen Deutsche aufs Land im Mallee-Gebiet im Nordwesten Victorias und gründeten Ansiedlungen wie Rainbow und Pella. Die Landwirtschaft im Mallee-Gebiet war für diese Familien extrem harte Arbeit, wegen des Bodens dort. Trotzdem sind die meisten dieser deutschen Familien im Gebiet geblieben. Im Buch The Story of Pella von Ian Maroske (1975) heißt es: „Die ersten fünfzig Jahre lang war Pella ein Ort mit vielen Familien, vielen Kindern, viel harter Arbeit, wenig Luxus und trotz allem viel Freude.“

Im Jahre 1900 betrieben so viele deutschsprachige Leute Geschäfte im Zentrum Melbournes, dass man alle seine Einkäufe auf Deutsch machen konnte.

Anders als in Südaustralien waren deutsche Pastoren an der Gründung der deutschen Siedlungen in Victoria nicht beteiligt (und auch nicht vorhanden). Deshalb gibt es in Victoria kein Zentrum deutscher Besiedlung, das mit dem Barossa-Tal in Südaustralien vergleichbar wäre. Die deutschen Siedlungen in Victoria sind über verschiedene Gebiete zerstreut.

Image: Karte
Landkarte: Verteilung der Deutschen in Victoria um 1900 (aus: Borrie, Wilfried. 1954. Italians and Germans in Australia / A Study of Assimiliation. F.W. Cheshire, Melbourne).

Siehe dazu auch:
Lodewyckx, Prof. Dr. A. 1932. Die Deutschen in Australien. Ausland und Heimat Verlagsaktiengesellschaft, Stuttgart.
Darragh, Thomas & Robert Wuchatsch. 1999. From Hamburg to Hobson's Bay: German emigration to Port Phillip (Australia Felix) 1848-51. Wendish Heritage Society, Heidelberg (Victoria).
Meyer, Charles. 1982. „The Germans in Victoria (1849-1900)“. In: Journal of the Royal Australian Historical Society, Vol.68, June 1982, pp18-36, Sydney.

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German Australia © D. Nutting 2001