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Victoria

Westgarthtown
Eine deutsche Ansiedlung des 19. Jahrhunderts im Norden von Melbourne

Im Dezember 1849 beschloss die German Immigration Committee (Komitee für die deutsche Einwanderung) in Melbourne, eine deutsche Ansiedlung als Basis für deutsche Einwanderer zu gründen. Die Mitglieder des Komitees hatten den Erfolg der deutschen Niederlassungen in Südaustralien gesehen. Also kauften der Melbourner Geschäftsmann William Westgarth und Captain Stanley Carr (ein reicher Schotte, der Melbourne gerade zu dieser Zeit besuchte, und der 25 Jahre lang in Deutschland gelebt hatte) für die Einwanderer 640 acres (259 Hektar) Land 16 km nördlich von Melbourne. Dieses Land ist heute Teil von den Vororten Thomastown und Lalor.

Ziebells Bauernhaus

Foto: Sophia
Sophia Ziebell
Foto: Christian
Christian Ziebell

Christian und Sophia Ziebell (bei der Ankunft in Australien waren sie 54 beziehungsweise 51 Jahre alt) bauten dieses Bauernhaus zwischen 1851-56, dessen Mauern 61 cm dick sind. Es ist das älteste Gebäude von deutschen Einwanderern in Victoria. Ziebells Bauernhof war der größte in der Ansiedlung, und Christian und Sophia teilten das Haus mit ihren acht erwachsenen Kindern. Zwei von ihnen waren verheiratet. Das Gebäude ist ein typisches norddeutsches Bauernhaus. Wie die anderen Häuser in der Westgarthtown-Ansiedlung hat es ein steiles Dach (in Deutschland soll der Schnee von solchen Dächern herunter rutschen).

(Foto © D. Nutting) Haus

Das Ziebell-Haus ist L-förmig. Das Bild oben zeigt den nördlichen Flügel des Gebäudes.

Auf der Koppel hinter dem Haus gab es sehr viele große Steine, sowohl auf der Oberfläche als auch in der Erde. Ziebells sparten Bauzeit dadurch, dass sie die Steine nicht in viereckige Blöcke aufschnitten. Sie passten die Mauersteine nach ihrer Form zusammen. Die Lücken zwischen den Steinen wurden mit Schotter und mit einem Mörtel ausgefüllt, der aus Schlamm und Kalkstein bestand. Die verwitterten Steine, die Christian Ziebell von der Oberfläche der Koppel holte, sind braun und rot gefärbt. Die dunkelblauen Steine wurden aus der Erde ausgegraben.

(Foto © D. Nutting) Mauer

Das Bild oben zeigt auf klare Weise die verschieden farbigen Steine der Außenmauer des Ziebell-Hauses.

Viele Generationen der Ziebell-Familie bewohnten das Haus bis 1972. Man hat nie Elektrizität, Wasser (das Haus hat einen Brunnen), Gas und Kanalisation dem Haus angeschlossen. Die Stadt Whittlesea hat das Ziebell-Haus gekauft und restauriert; die anderen Originalhäuser aus Basaltstein in der Ansiedlung sind Privathäuser.

(Foto © D. Nutting) Haus

Der Ziebell-Karrenstall (rechts im Foto oben) beherbergte im 20. Jahrhundert Hühner und Karren. Seine Mauern wurden auf dieselbe Weise wie die des Bauernhauses gebaut. Die Steinzäune um das Haus herum sind gut erhaltene Beispiele dieser Art Mauern.

(Foto © D. Nutting) Räucherkammer

In der Räucherkammer machten Ziebells Seife (aus einer Mischung aus Hammelfleischfett, Harz und Ätznatron) und sie räucherten Speck, Schinken und andere Fleischsorten. Das Gebäude hatte auch einen Backofen, in dem das Brot für den ganzen Bauernhof gebacken wurde.

Die Kirche

Die Kirche (der offizielle Name lautet Thomastown Lutheran Church, nach dem Vorort, in dem sie liegt) ist das zweitälteste lutherische Kirchengebäude in Australien, eröffnet am 17. November 1856. (Die Kirche in Lobethal in den Adelaide Hills, Südaustralien, ist älter, aber sie wird nicht mehr für regelmäßige Gottesdienste benutzt, wegen der modernen Kirche gegenüber, die Platz für die größere Gemeinde von heute hat.) Die Westgarthtown-Kirche ist die älteste noch heute genutzte lutherische Kirche in Australien. Gottesdienste in englischer Sprache begannen spätestens 1903. Gottesdienste auf Deutsch wurden in den frühen 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts wieder eingeführt, wegen der Ankunft von vielen deutschsprachigen Einwanderern nach dem Zweiten Weltkrieg in Australien. Deutschsprachige Gottesdienste hörten in der Mitte der 70er auf.

(Foto © D. Nutting) Westgarthtown Kirche
(Foto © D. Nutting) Innenraum

Man kann an den Basalt-Mauersteinen der Kirche erkennen, dass Profi-Steinhauer die Kirche bauten, nicht wie das Ziebell-Bauernhaus. Die Kirche war für die Siedler sehr wichtig, und deshalb stand sie in der Mitte der 259 Hektar der Ansiedlung. Die Außenseite und der Innenraum der Kirche sind beide in einfachem und bescheidenem Stil.

(Foto © D. Nutting) Grabstein

Nur Gemeinde-Mitglieder und Nachfahren von den ersten Siedlern dürfen im historischen lutherischen Friedhof von Westgarthtown beerdigt werden.

Die Milchwirtschaft blieb die wichtigste landwirtschaftliche Aktivität von Westgarthtown bis in die 70er-Jahre des 20. Jahrhunderts. Einer der ursprünglichen Landkäufer von Westgarthtown war Johann Gottlob Siebel. Die Geschichte des größten Milchunternehmen Victorias, Pura Milk, geht auf Johanns Nachfahren, Albert, zurück, der im Jahre 1934 Krugers Molkerei in Murray Rd Preston kaufte, um die Milch von Westgarthtown selbst zu vermarkten und zu verkaufen, und benannte die Molkerei in „Pura Dairy“ um.

Quelle:
Wuchatsch, Robert. 1985. Westgarthtown. The German settlement at Thomastown. Self-publication.
Wuchatsch, Robert. 2001. Persönliche Mittteilung.
Siehe das Büchlein Westgarthtown, veröffentlicht von Heritage Council Victoria and the City of Whittlesea, 1998.

Siehe auch die Westgarthtown-Website (in englischer Sprache)

Westgarthtown, eine Art Museumsdorf, ist sicher einen Besuch wert, und man kann Führungen arrangieren, wenn man sich mit der City of Whittlesea in Melbourne in Verbindung setzt, Telefon (03) 9217 2170.

Westgarthtown Oral History Project - SchülerInnen von Mill Park Secondary College interviewten BürgerInnen, die eine Verbindung mit der Westgarthtown-Siedlung haben.

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German Australia © D. Nutting 2001