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Sammlung von Primärquellen
 

Deutsche Einwanderung in Australien - Materialien für Schüler/Studenten

1850 - JOHANN & CARL GRAF

Johann Graf kam am 2. Februar 1850 auf der Pribislaw in Melbourne an. Er war in der Gruppe von 16 deutschen Einwanderern, die das Land für eine deutsche Siedlung (bekannt als Westgarthtown) von William Westgarth kauften. Westgarth hat die erste deutsche Gruppeneinwanderung für Melbourne organisiert. Johann Graf war später Mitglied der Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Victoria und Mitglied des Westgarthtowner Schulkomitees. Sein ältester Sohn Johann starb 1852 bei einem Unglück auf den Goldfeldern von Victoria. Das Haus der Familie Graf, erbaut 1873 aus Stein, steht noch in dem heutigen Vorort Thomastown.

Auszüge aus einem Brief
(Extracts from a letter)


Die Gnade des Herrn sei mit Euch!
Lieber Freunde

Aus Liebe zu Euch, als meinen früheren Landesbrüdern fühle ich mich gedrungen, Euch aus meinem neuen Heimatslande einige Nachricht zu schreiben.

Foto: Originalbrief-Auszug

Nun des anderen Tages früh sahen wir nun mit Verwunderung dieses große Gebiet und die schöne Stadt Melbourne vor unseren Augen. Es besuchten uns gleich dem ersten Tag viele Deutsche aus Melbourne, nach etlichen Tagen wurden unsere Sachen ans Land gefahren, und alle Passagiere wurden in die Emigranten-Häuser gewiesen, das sind Häuser wo die Auswanderer frei Wohnung haben, so lange sie nicht selbst ihr Unterkommen finden. Die jungen Leute werden von den englischen Herrschaften von hier bald angehalten, um in Dienst zu treten, aber ältere Leute müssen sich länger aufhalten, bis einem Gelegenheit kommt, wo sie etwa ihr Handwerk betreiben können, oder diejenigen, die Geld haben, Land zu kaufen oder zu pachten bekommen. Die Deutschen, welche sich in dieser Gegend niedergelassen haben, betreiben viele ihr Geschäft, aber auch viele beschäftigen sich mit Ackerbau. Es hat sich auch schon eine Colonie hier gebildet und haben sich eine Sexion Land gekauft von 640 Acker, es sind gegen 16 Familien daselbst, auch ich bin dabei und habe 50 Acker, der Acker kostet 1 Pfd. Sterling (6rt 16 grsch) [= 6 Reichsthaler und 16 Groschen; ein Thaler war 30 Silber-Groschen]. Es ist acht englische Meilen von Melbourne (5 englische Meilen ist eine deutsche Meile). Herr Wehner aus Bischofswerda ist mein Nachbar.

Ich bin mit meiner jetzigen Lage sehr zufrieden, und hoffe, dass es mit der Zeit noch auf mancherlei Ort besser werden wird. Ich habe mir jetzt 5 Kühe und 2 Ochsen angeschafft und habe auch schon etliche Acker mit Weizen, Erbsen, Linsen, und mit Kartoffeln bepflanzt. Obgleich ich mir zur Anschaffung von mancherlei Sachen, die ich dazu notwendig brauchte, etwas geborgt habe, so weiß ich doch, dass ich die Schulden in zweimal kürzerer Zeit werde decken können, als ich in Deutschland im Stande wäre.

Die Deutschen haben in Melbourne ein englisches Gotteshaus frei, wo ihnen von einem gläubigen jungen Menschen das Wort Gottes alle Sonntage vorgetragen wird, welcher dasselbe den Deutschen zur Liebe umsonst tut, so lange nicht ein Geistlicher festgesetzt ist, freilich diejenigen, welche sehr weit von der Stadt wohnen, müssen dieses entbehren. Jedoch haben sich diejenigen, welche in der deutschen Colonie wohnen, einige Acker zu einer Kirche, einer Schule und zum Kirchhofe, den bis jetzt ein tod-geborenes Kind eingeweiht hat, behalten.

Wenn ich Euch nun beschreiben soll, wie dieses Land eigentlich beschaffen ist, so muss ich sagen, dass es erstens sehr fruchtbar ist, wo alle Getreidearten, und andere sehr gut gedeihen, auch der Wein wird vortrefflich gut, von Blumen findet man hier eine reichliche Auswahl, man findet hier auf freiem Felde viel schönere Blumen, als in Deutschland in großen Lustgärten. Rindvieh findet man hier sehr stark und fett.

Die Ursache dessen, dass die Briefe von Australien so auf verschiedene Weise lauten, kommt daher, dass so verschiedene Menschen mit verschiedenen Gesinnungen auswandern. Ich habe mehrere gekannt, die mit mir reisten, die sich dieses Land vorstellten, als ein Land, wo die Menschen gleich nach ihrer Ankunft ohne alle Mühe und Arbeit leben können, welches freilich nicht der Fall ist, sondern ein Jeder, der da arm heraus kommt, muss sich zufrieden geben, alles im Kleinen anzufangen. Ein Mensch, der die Arbeit nicht scheut, und sich in die Zeit weise zu schicken weiß, der muss, wenn er die Wahrheit schreiben will, sagen, dass diesem Land nichts vorzuwerfen ist. Auch viele haben in ihren Briefen den Herrn Westgarth sehr schlecht gemacht aber sie haben darin sehr gelogen, denn eben dieser Mann hat für die Deutschen sehr gesorgt, und hat denen, die sich Land angekauft hatten, Geld vorgestreckt.

Es ist jetzt ein neues Emigrantenhaus gebaut worden, für die deutschen Einwanderer in Melbourne, wozu auch die hiesigen Deutschen beigetragen haben, aber die Engländer haben das meiste davon getan.

Bei großen Familien mit vielen kleinen Kindern muss entweder etwas Vermögen sein, oder sie müssen sich die erste Zeit etwas kümmerlicher durchhelfen, aber nach diesen können sie viel eher zu einem Besitz gelangen als in Deutschland, denn man hat hier nicht die schweren drückenden Abgaben, welche man in Deutschland monatlich und öfter entrichten musste, denn hier ist jeder ganz Abgaben-frei, er mag viel oder wenig besitzen. Und wenn ich an die steten Unruhen, welche in Deutschland herrschten, denke, so kann ich meinem Gott nicht genug dankbar dafür sein, dass er mich in ein so ruhiges Land gebracht hat, denn was ich hier aus Gottes Barmherzigkeit habe, das kann ich in Ruhe und Frieden genießen.

Gehabt euch wohl
Melbourne
d. 27 Octbr. 1850
Johann Graf und Carl Graf

(Handwriting transcribed by Tom Darragh, spelling modernised by Dave Nutting)


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