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Ein Australisch' Lied
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Erklärungen

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Zu singen, wenn man / gesund ist, / nach der Melodie: / Mannheim eine schöne Stadt, / Wo jed’ Quadrat ein Viereck hat. etc. Weder das Stadtarchiv Mannheim noch das Deutsche Volksliedarchiv (Freiburg im Breisgau) kennt dieses spezifische Mannheim-Lied. Dieses Spottlied könnte wohl eine Variante des Liedtyps „[Stadtname] ist 'n schöne Stadt...“ sein. Diese Reime wurden meistens von Kindern erfunden und wurden auf die Melodie eines Burschenlieds gesungen, das 1845 entstand. Dieses Burschenlied findet man seit der Mitte des 19. Jahrhunderts oft in Liederbüchern. Es wurde schnell sehr populär und bekam unzählige, meistens lustige, alternative Texte. Ludwig Becker lernte die Melodie vielleicht vor seiner Auswanderung nach Australien als zeitgenössischen „Hit“ kennen. Heute noch singen Kinder Spottlieder dieses Typs, zum Beispiel:

Karlsruh' ist 'ne schöne Stadt,
juppheidi, juppheida,
die auch eine Schule hat,
juppheidi heida.
Die Schule ist aus Lehm gebaut,
die wackelt, wenn der Lehrer haut,
juppheidi, juppheida... tirallala,
juppheidi, juppheida, juppheidi heida.

Karlsruh' ist 'ne schöne Stadt,
die auch einen Metzger
(Bäcker, Schutzmann, eine Feuerwehr und so weiter) hat.

(Zusammenfassung eines Briefes des Deutschen Volksliedarchivs an Frau Lotte Hoffmann-Kuhnt, 20. Mai 2001. Ludwig Becker war ihr Urgroßonkel.)

Charakteristisch für die Stadt Mannheim ist die Quadratstruktur der Innenstadt, die bereits bei der Gründung der Stadt angelegt wurde. Diesen schachbrettartigen Grundriss sieht man immer wieder in Vogelschaubildern aus dem 19. Jahrhundert. Mannheim hat den Spitznamen „die Quadratestadt“. Ludwig Becker spielte gern mit Wörtern, was man an der Zeile über Quadrate und Vierecke sieht.

Mannheim um 1850
Mannheim um 1850, Stahlstich von Johann Poppel. (Reiß-Museum der Stadt Mannheim)
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Teil 3

Die Szene stellt einen Ort dar, den der Schriftsteller August von Kotzebue in seinem Schauspiel Die deutschen Kleinstädter (Leipzig, 1803) erfand. Der Name Krähwinkel macht sich lustig über kleine Provinzstädte. Der Held in der Wiege hält in den Händen Sachen, die damals vielleicht Symbole von Männlichkeit waren, einen Bierkrug und eine Meerschaum-Pfeife. Der Spruch an der Wand ist Teil einer Proklamation des preußischen Innenministers in Berlin von 1806 an die Bevölkerung, nachdem Napoleon die preußische Armee bei Jena besiegte.  Die Proklamation sollte die Bevölkerung beruhigen, doch haben sich Deutsche, die mehr politische Freiheit in den unterschiedlichen deutschen Staaten wollten, lange Zeit nach Napoleons Niederlage im Jahre 1815 darüber lustig gemacht. Der Spruch lautet:

„Recht hast du, Herr.
Schweigen muss ich,
denn
Ruhe ist des Bürgers erste Pflicht.“

Die Unterschrift 'Michel' am Ende des Spruches ist ein Name für einen stumpfsinningen Deutschen, den nur seine eigene kleine Welt interessiert. Die Kuppel des Stadtturmes scheint Augen zu haben, die Ausschau halten, und mit den Bajonetten symbolisiert Becker die tyrannische undemokratische Herrschaft der Fürsten in den deutschen Staaten.
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Teil 4

Der Wanderer trägt einen Stock, dessen umschlungene Schlangen den Merkur symbolisieren, den Gott der Wanderer. Prostituierte waren schon in den 1850ern in Hamburger Schaufenstern zu sehen.
Thisthelthorph u. Gudefrau = wahrscheinlich Wortspiele von Becker, auf Namen, die deutschen Auswanderern sehr bekannt waren.
Vielleicht stellt Thisthelthorph (Eduard) Delius dar, Auswanderungsagent in der Seestadt Bremen für die Regierungen der Kolonien Süd-Australien und Victoria (Delius >> Distel - thistle??). Ein anderer Vorschlag ist, dass Thisthelthorph den deutschen Stadtnamen Düsseldorf nachahmt.
Gudefrau stellt die Reederei Johann Caesar Godeffroy und Sohn dar. Becker macht aus Godeffroy „Gudefrau“ (gute Frau). Die Familie Godeffroy war eine Hugenott-Familie, die im Jahre 1737 aus La Rochelle in Frankreich nach Hamburg ausgewandert war. 1855 benannten sie eines ihrer Schiffe La Rochelle. Georg von Neumayer bekam eine kostenlose Schiffsreise auf der La Rochelle von Johann Godeffroy, als er 1857 nach Melbourne zurückkehrte, um das Flagstaff-Observatorium zu bauen und zu organisieren. Jedoch waren die Verhältnisse an Bord der La Rochelle bis 1866 so schlecht, dass die Regierung Queenslands eine offizielle Untersuchung durchführte. In den 1840ern kaufte die Firma Godeffroy Aktien der erfolgreichen Kupferminen von Burra in Süd-Australien. Später betrieben sie Handel im Süd-Pazifik, aber sie gerieten in finanzielle Probleme. Von den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts an bis zum Niedergang der Firma im Jahre 1879 war die Firma Godeffroy für die Auswandererschifffahrt insbesondere für die Räume Pazifik, amerikanische Ostküste und Australien sehr wichtig. In diesem Bild von Becker ist die Liste von „guten Sachen“ auf den Schiffen vielleicht nicht besonders angenehm!
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Teil 6

O Jemine! = (in der Bibel) die erste Tochter Jobs. Der Ausdruck bedeutet dasselbe wie „Oh Gott! Oh Gott!“
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Teil 7

Zwischendeck = die billigste und unbequemste Unterkunftskategorie im Schiff, ursprünglich hinten im Schiff, in der Nähe des Ruders.
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Teil 8

Das Schiff liegt ganz still in der Gegend um den Äquator, wo es (trotz der Möglichkeit von plötzlichen Stürmen) oft sehr heiß war, aber ohne Wind. Vielleicht meint der Wanderer, dass die heiße Sonne ihn tötet.
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Teil 11

Der rote Kapitän = rot vielleicht aus Verlegenheit, oder eher wegen der Flasche in seiner Hand, also vermutlich vom Trinken.
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Teil 13

Der Kirchturm ist der Turm von Sankt James, einer Kirche, die damals ein Wahrzeichen Melbournes war. Melbourne hatte nach der Entdeckung von Gold und der Flut von ankommenden Einwanderern eine „Zeltstadt“ nicht weit östlich der heutigen City. Becker schreibt, dass die Leute wie auch die Häuser, „voll“ waren - benutzt also ein Wortspiel auf „betrunken“ (n.b. die gehenden Flaschen).
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Teil 17

Becker schafft spielerisch ein neues deutsches Verb: diggen! Eine der vielen unbequemen Sachen im Leben auf den frühen Goldfeldern waren die Fliegen. Es gab unglaubliche Mengen von Fliegen in schwarzen Schwärmen auf den Goldfeldern, teilweise wegen der Arbeitsweise der Metzger. Auf den Mount Alexander diggings (Castlemaine-Gebiet) wurden mehr als Tausend Schafe jeden Morgen geschlachtet, sechs Tage in der Woche, das ganze Jahr 1852 über (Becker war am Ende des Jahres dort). Was man vom Schaf nicht benutzen konnte, blieb auf einem großen Haufen in der Nähe des Zeltes des Metzgers einfach so liegen. Die Behörde auf den Goldfeldern hat nicht verlangt, dass die Metzger das alles beseitigen, jedenfalls taten es die meisten nicht. Die Fliegen fanden es toll.
(Annear, Robyn - Nothing But Gold. Text Publishers, Melbourne 1999)
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Teil 18

Sein Wagen ist umgekippt. „Chyser“ ist Beckers eigene Schreibweise, um das Wort der Goldgräber „shicer“ zu benutzen, wahrscheinlich weil seine deutschen Leser das deutsche Wort, von dem es herstammt, vulgär finden würden, obwohl das Wort „shicer“ ganz normal unter den anderen Goldgräbern war (bezeichnet ein Loch, in dem man kein Gold findet - siehe Deutsche auf den Goldfeldern).
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Teil 20

Tarrangower = der erste Name für das Goldfeld Maldon. Meyer's Flat = nördlich von Bendigo. Forest Creek = Creek, der am Rande von Castlemaine fließt; damals war der Name „Forest Creek diggings“ in ganz Australien bekannt.
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Teil 21

Rusch...Klähm“ = Becker schafft spielerisch seine eigenen deutschen Worte für die Goldgräberwörter rush und claim. Der Bergbau hatte in Deutschland eine Geschichte von mehr als tausend Jahren, doch er sah in Deutschland anders aus als in Australien, und es gab kein genaues Wort für claim.
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Teil 22

Das Kreuz des Südens am Ende ist ein Symbol, das viele Einwanderer sehr leicht mit Australien verbanden, oder mindestens mit der südlichen Hemisphäre. Die Briefe von vielen Einwanderern erwähnen das Kreuz des Südens, das sie zum ersten Mal im Leben am Nachthimmel unterwegs nach Australien sahen.
<< Bild 22 | Ludwig Becker

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