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Deutschsprachige in Australien

Die Auswanderung der Kavel-Gruppe nach Südaustralien

Die Dörfer Tschicherzig, Klemzig und Kay (wo Pastor Kavels Auswanderer herkamen) waren kleine Dörfer in Preußen (Preußen als politische Einheit existiert nicht mehr, früher war es ein unabhängiges deutsches Königreich im Osten und Nordosten Deutschlands). Wegen Änderungen der Grenzen am Ende des Zweiten Weltkrieges befinden diese Dörfer sich jetzt alle auf dem Territorium von Polen. Die Einwanderer, die nach Südaustralien kamen, waren hauptsächlich Bauer und Handwerker.

Warum wanderten sie aus?

Sie waren aber auch sehr moralische und religiöse Menschen und hielten streng an den traditionellen Gewohnheiten der lutherischen Kirche fest, und wollten sie für den preußischen König nicht aufgeben. Der preußische König Friedrich Wilhelm III war ein frommer Christ und Mitglied der reformierten Kirche (seine Frau Luise war Lutheranerin). Die große Mehrzahl seiner Untertanen in den preußischen Territorien waren lutherisch. Wie andere Könige und Aristokraten damals, war auch Friedrich Wilhelm kein Freund der Demokratie, und er wollte die starke Autorität der Monarchie betonen, auch in seiner Kirchenpolitik. Er beschloss, dass alle Protestanten in den preußischen Territorien derselben Landeskirche angehören sollten. Friedrich Wilhelm wollte die zwei protestantischen Hauptbekenntisse (die lutherische und die reformierte) in einer „unierten“ Landeskirche vereinigen. Unter Friedrich Wilhelms Leitung wurde eine neue Gottesdienstordnung („Agende“) geschrieben, die in allen protestantischen Kirchen benutzen werden musste.

Einige Leute lehnten die neue Agende ab, und leisteten passiven und geistlichen Widerstand. Der König machte diese neue lutherische Religion mehr oder weniger zu einer Staatsreligion, und die Pastoren waren im Endeffekt Arbeiter im öffentlichen Dienst. Unter dem neuen Gesetz konnte die Regierung Pastoren entlassen (oder sogar im Gefängnis einsperren), oder ihr Eigentum konfiszieren, wenn sie ihre Gottesdienste noch weiter im alten lutherischen Stil hielten. Die Minorität von Leuten, die ihre Gottesdienste noch im alten lutherischen Stil halten wollten, mussten das heimlich machen. Man nannte diese Leute „Altlutheraner“. Eine Zeitlang mussten ein paar Pastoren auf dem Lande herumziehen, die Polizei vermeiden, und Gebetsversammlungen für Altlutheraner nachts im Wald halten. Deshalb hatten diese Leute Lust, in ein Land auszuwandern, wo sie religiöse Freiheit genießen könnten.

Religion war nicht ihr einziger Grund zur Auswanderung. Einige wurden auch von wirtschaftlichen Gründen motiviert. Die Bevölkerung in den deutschen Staaten wurde schnell größer - die Folge war, dass es schwieriger wurde, Arbeit zu finden. Die deutschen Staaten waren noch größtenteils landwirtschaftlich orientiert - die industrielle Revolution kam später in Deutschland. Zwei sehr schlechte Ernten in den Jahren 1844 und 1846 machten den armen Menschen das Leben sehr schwer.

Wie kamen sie nach Südaustralien?

Image: KavelPastor Kavel fragte in der Hafenstadt Hamburg nach den Möglichkeiten, nach Russland auszuwandern, um zusammen mit der großen Anzahl von Deutschen zu leben, die schon im Gebiet des Wolga-Flusses lebten, oder in die USA, wohin viele Deutsche auch schon gegangen waren. Daraus wurde nichts. Kavel reiste nach London und lernte George Fife Angas kennen. Angas war ein reicher schottischer Geschäftsmann, und Präsident der South Australian Company. Er wollte nicht nur die Kolonie von Südaustralien entwickeln, sondern auch Menschen helfen, und er war beeindruckt von den Berichten über diese Deutschen, die sich in einem anderen Land niederlassen wollten. Man sagte, dass sie religiöse, selbständige, fleißige Bauern von hoher Moral waren. Angas war selbst sehr fromm und religiös. Er machte Kavel und seinen Leuten ein gutes Landangebot in Südaustralien, und machte alles, was er konnte, um den Auswanderungsplan zu verwirklichen.

Die Altlutheraner stellten an die preußische Regierung einen Antrag auf die nötigen Reisepässe, aber die Regierung zögerte zwei Jahre lang, und hoffte, dass die Altlutheraner aufgeben würden. Die Auswanderer stellten immer wieder neue Anträge und versuchten, so demütig wie möglich zu erklären, warum sie ausreisen wollten. George Angas schickte seinen Sekretär Charles Flaxman nach Preußen, um zu versuchen, die Behörde zu überreden Reisepässe auszugeben. Die Regierungsbehörde betonte oft, dass sie nicht gerne den Kavel-Leuten Reisepässe geben wollten, weil sie wirklich über das Schicksal und die Sicherheit der Auswanderer besorgt waren, indem sie nach einem weit entfernten, ziemlich unbekannten Kontinent reisen würden. Nicht klar ist, ob die Zögerung der Regierung wirklich aus diesem Grund geschah, oder ob der wirkliche Grund der Ärger der Regierung über die Hartnäckigkeit der Altlutheraner war - es würde nicht gut aussehen, wenn preußische Staatsbürger wegen der Kirchenpolitik der Regierung nach der anderen Seite der Welt auswandern.

Schließlich bekamen die Kavel-Leute die Reisepässe. Die Auswanderer reisten zum Hafen von Hamburg von ihren Binnenlanddörfern mit Flusskähnen, da Eisenbahnen noch nicht existierten. Diese Kähne hießen Oderkähne. Die Reise auf vier verschiedenen Flüssen (Oder, Spree, Havel und Elbe) und auf dem Friedrich-Wilhelm-Kanal (um von der Oder zur Spree zu kommen) war circa 600 km lang und dauerte drei Wochen. Die folgende Landkarte zeigt ihre Reiseroute:

Image: Karte
Von Brandenburg zum Hafen von Hamburg
(aus: David Schubert, „Kavel's People“, 1997, mit Genehmigung des Autors)

Während sie in Hamburg auf ihre Abfahrt nach Australien warteten, waren viele Hamburger neugierig auf sie und ihre Auswanderung, da sie Deutschland aus religiösen Gründen verlassen wollten und nach der anderen Seite der Welt segeln wollten. Ein hamburgischer Senator, Hudtwalcker, war von ihnen beeindruckt und veröffentlichte in einer Zeitung eine Beschreibung von Kavels Leuten.

Siehe Pastor Kavels Grab und Denkmal in Tanunda, Südaustralien.

(Trennungslinie)

Die lutherische Kirche ist eine „protestantische“ Kirche, die aus den Ideen von Martin Luther entstand. Er protestierte in den 1520ern gegen die Handlungsweise der katholischen Kirche in Deutschland damals. Er machte auch die erste Übersetzung der Bibel in die deutsche Sprache, so dass es nicht mehr nötig war, Latein zu verstehen, um die Bibel zu lesen.

Die reformierte Kirche gründet auch auf den Ideen Martin Luthers, legt aber nicht so viel Wert auf eine strenge Liturgie und prunkvolle Kirchen, ihre Organisation ist nicht so hierarchisch wie bei den Lutheranern.

Agende = offizielles Buch für Gottesdienste, die alle wichtigen Texte, Bibel-Lektüren und Gebete enthält. Im Jahre 1830 wurde König Friedrich Wilhelms III neue Agende für alle protestantischen Kirchen in Preußen obligatorisch.

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