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Ein deutscher Bauernhof in Südaustralien
(Der deutsche Schriftsteller Friedrich Gerstäcker besuchte 1851 Australien)
Etwa eine Stunde später, während ich rechts und links überall kleine freundliche Wohnungen hatte liegen sehen, kam ich an eine Farm, in die ich jedenfalls einmal hineinschauen musste. Von außen sah sie nämlich ganz genau aus wie einer unserer kleinen deutschen Bauernhöfe mit Scheunen, Ställen, Schuppen und so weiter, und ich blieb erst ein paar Minuten ordentlich überrascht stehen. Mir war fast - als ob ich jetzt gar nicht in Australien wäre - als ob mich ein guter Genius plötzlich in Gedankenschnelle zurück zur Heimat geführt hätte, und nun gleich - aber die verwünschten Gumbäume (d. h. Eukalypten) - ich war doch in Australien!
Auf dem Hof schirrte der eine Knecht die Pferde ein. Das war deutsches Pferdegeschirr und ein deutscher Wagen, ich hätte darauf schwören wollen; und die Magd kam aus dem Stall und hatte eine ehrliche deutsche Mistgabel in der Hand. Ich musste jedenfalls einmal in das Haus gehen. Ich sprang über die Fenz (Zaun), ging über den Hof, öffnete die Haustür - die Klinke daran war unter keiner Bedingung in Australien gemacht, und es sollte mich gar nicht wundern, wenn sich meine lieben, in dieser Hinsicht wirklich großartigen Landsleute die ganze Haustür mit von Deutschland gebracht hätten - und klopfte an.
Herein! Ich stand mitten in der Stube, und hier, lieber Leser, wenn du einen recht deutlichen Begriff von dem haben willst, was ich sah, musst du mich einen Augenblick stehen lassen, und in das erste beste Bauernhaus in Deutschland, das du am Wege findest, hineingehen; so ganz akkurat, mit Aussehen und Geruch, war es in dem kleinen stillen Gemach, das ich betrat. Still nun gerade nicht so ganz, denn der eine weißhaarige, rotbackige und äußerst schmutzige kleine Bengel, den die am Ofen sitzende alte Großmutter auf dem Knie hielt und ihm einen Löffel voll Pappe beizubringen suchte, schrie aus Leibeskräften, und hatte sich schon sämtliche Kleidungsstücke bis unter das Kinn hinaufgestrampelt. Die alte Großmutter selber war aber ein so treues und vorzügliches Exemplar einer alten deutschen Bauersfrau, wie du es nur selber im Herzen von Deutschland finden könntest, und ich bin fest überzeugt, dass alles, bis auf Stecknadeln und Schuhbänder, echt an ihr war, und noch kein englischer oder australischer Artikel, sei das von Zeug, Wäsche oder Schuhwerk, ihren Körper berührt hatte. Das aber nicht allein: Ofen, Stühle, Tische, die Teller mit Sprüchen beschrieben, die Näpfe mit Versen aus dem Gesangbuch, die großen Truhen mit den grünen Rosen und den gelben Vergissmeinnicht - kurz alles, war deutsch, und wenn man in Sachsen oder Preußen eine wirkliche Bauernstube mit der Wurzel herausgenommen, sorgfältig in Baumwolle eingepackt und nachher wieder hier ausgesetzt hätte, nicht treuer hätte sie ihren Charakter beibehalten können.
(Friedrich Gerstäcker. Reisen um die Welt, Band 4, 1853)
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German Australia © D. Nutting 2001