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Deutschsprachige in Australien

Warum wanderten Deutsche aus?

(Foto © D. Nutting) Denkmal

Die Mehrzahl der deutschen Auswanderer fuhr in die USA (wo deutsche Ansiedlung schon in den 20er-Jahren des 17. Jahrhunderts angefangen hatte). Es war eine viel schnellere und billigere Reise. Als der Durchschnittslohn nur etwa £1-2 pro Jahr betrug, kostete es etwa £6, nach Amerika zu segeln, aber etwa £15, um nach Australien zu kommen. 80-90% der deutschen Auswanderer fuhren nach Amerika, trotzdem war Australien das Ziel einer beträchtlichen Zahl der übrigen Auswanderer.

Foto links: Denkmal „Die Auswanderer“, am Weserdeich in Bremerhaven. Sehr viele Auswanderer verließen ihre deutsche Heimat über Bremerhaven.

In seinem Buch A History of Germans in Australia 1839-1945 führt Charles Meyer vier Hauptgründe für deutsche Auswanderung auf: Religion, die wirtschaftliche Lage, politische Gründe, und soziale Gründe.

Diese vier Hauptgründe waren nicht alle zur gleichen Zeit wichtige Faktoren, und man sollte sie auch nicht als unabhängig voneinander in ihrer Wirkung betrachten, (oft trieben mindestens zwei der Gründe einen Menschen oder eine Gruppe zur Auswanderung). Diese vier Gründe oder Motive waren auch nicht gleich wichtig, was die Auswandererzahlen betrifft. Die Auswanderungsgründe der Leute sind auch kompliziert, weil oft sowohl „push“- als auch „pull“-Faktoren eine Rolle spielten. Beispiele von „push“-Faktoren (Umstände, bei denen die Leute Europa verlassen wollten) waren: Missernten, steigende Preise und der Wunsch, den Zwangsdienst in der Armee zu vermeiden. Beispiele von „pull“-Faktoren (Attraktionen von Australien) waren: die Nachfrage nach Arbeitern, billiges (und manchmal kostenloses) Land, und die Verlockung der Goldfunde.

Religion

Viele Deutsche verließen ihre Heimat, wenn sie dachten, dass die Politik der Regierung sie hinderten, auf ihre Weise ihre Religion auszuüben. Im 17. und 18. Jahrhundert gingen viele Deutsche nach England, Russland und in die USA in Folge religiöser Verfolgung, und dies passierte noch bis in die frühen Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts. Viele Regierungen in den deutschen Staaten und Fürstentümern sahen für sich politische Gefahren, als die Anführer einiger Religionsgemeinschaften ihren Anhängern sagten, dass sie für ihren Herrscher nicht kämpfen und auch keine Steuern zahlen sollten, mit denen der Herrscher Kriege finanzieren könnte. Deshalb wurden Religionsgemeinschaften im deutschsprachigen Europa wie die Mennoniten, Herrnhüter, Pietisten, Baptisten und deutsche Quäker oft mit Regierungsgesetzen konfrontiert, die verlangten, dass sie der Staatsreligion beitreten. Das bekannteste Beispiel in der deutsch-australischen Geschichte ist die Auswanderung der „Alt-Lutheraner“ in den späten 30er-Jahren des 19. Jahrhunderts aus den preußischen Provinzen Schlesien, Brandenburg und Posen nach Südaustralien. Sie waren gegen König Friedrich Wilhelm III Zwangsvereinigung der Reformierten Kirche mit der lutherischen Kirche, um eine neue Staatskirche zu bilden. Sie waren mit dem neuen Gebetbuch (Agende) nicht einverstanden. Gemeinden, die die „alten“ Praktiken weiter pflegten, wurden verfolgt; einige Pastoren mussten sich vor der Polizei verbergen und hielten Gottesdienste nachts heimlich im Wald ab. Einige Pastoren mussten ins Gefängnis, das Eigentum von einigen Gemeinden wurde konfisziert.

Religiös motivierte Einwanderung war immer mit Gruppeneinwanderung verknüpft, wobei der Pastor seine Gemeinde in das neue Land führte, und ihr gemeinsamer Glaube sie gegen Probleme einigte, denen sie auf der Reise und am Ziel begegneten. Ab den frühen 40er-Jahren (besonders nach dem Tod von König Friedrich Wilhelm III) war jedoch religiöse Verfolgung in Deutschland nicht mehr der Hauptgrund für Einwanderung in Australien.

Wirtschaftliche Lage

Man glaubt, dass die religiöse Verfolgung nicht der einzige Faktor für die Auswanderung nach Südaustralien war; die wirtschaftliche Lage in Deutschland muss auch eine Rolle gespielt haben. Als die Kriege gegen Napoleon im Jahre 1815 zu Ende waren, brach auch die Kriegswirtschaft für gewisse Produkte zusammen und die Konkurrenz von billigeren britischen Produkten wuchs, als man sie wieder in Europa verkaufen konnte (Napoleon hatte England vom Kontinent abgeschnitten). Massen von Soldaten durften die deutschen Armeen verlassen und gingen zurück zu ihren ländlichen Heimatdörfern, und bald gab es nicht genug gutes Ackerland und Arbeit für die ganze Bevölkerung, besonders in Preußen und in den südwestlichen deutschen Staaten. Die Preise fingen an, zu steigen, aber die Löhne stiegen nicht - in ganz Deutschland waren die Löhne im allgemeinen zwischen 1820 und 1850 gleichbleibend, aber es gab einen Anstieg um 50% bei den Preisen von wichtigen Artikeln wie Roggen, Kartoffeln und Kleidung.

Ab 1865 (dieses Jahr war das Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs und der Anfang des Angebots von freiem Land an der Grenze zum Wilden Westen der USA) wurde die Zahl der deutschen Auswanderer beträchtlich größer, und einige von ihnen waren von Australien angelockt. Während der Jahre, in denen Preußen Krieg gegen Dänemark, Österreich und Frankreich (1864-1871) führte, und während der unsicheren Zeit in den paar Jahren danach, verließen viele Deutsche Europa. Als der Frieden beständig wurde, fielen die Auswandererzahlen (die Auswanderer im Jahr 1874 betrugen weniger als 50% der Zahl im Jahr 1873).

In den 70er-Jahren fingen billige Produkte aus den Überseekolonien der europäischen Nationen und aus den USA an, die Preise in Europa zu ändern. Preise für landwirtschaftliche Produkte und Rohmaterialien fielen und Land, das früher landwirtschaftlich gut war, wurde wertlos, und die Arbeitslosigkeit und Schulden stiegen.

Das neue vereinigte Deutschland ([Zweites] Deutsches Reich, 1871) verwandelte sich von einer grundsätzlich landwirtschaftlichen Nation in eine industrielle Nation. Neue Techniken bedeuteten, dass reiche Leute ihr Geld jetzt in die Industrie investierten, statt in die nicht gewinnbringende Landwirtschaft. Deshalb hatten einige Kleinbauer keine andere Wahl als auszuwandern.

Ein paar Jahre lang nach dem Zweiten Weltkrieg lag Deutschland in Ruinen, und viele Flüchtlinge und Obdachlose ergriffen die Gelegenheit, ein neues Leben in Australien aufzubauen, wegen des großen Einwanderungsprogramms, das die australische Regierung in den späten 1940ern startete.

Politische Gründe

Man kann sagen, dass Deutsche, die Europa verließen, um den Zwangsdienst in der Armee zu vermeiden, aus politischen Gründen auswanderten.

Die fehlgeschlagene Revolution von 1848 gab für einige Menschen den endgültigen Anstoß zur Auswanderung. Im Jahre 1848 begannen Leute aus den mittleren Schichten der deutschen Staaten eine Revolution. Sie wollten eine vereinigte deutsche Nation mit einem Kaiser als Staatsoberhaupt, aber sie wollten auch Demokratie einführen und eine Regierung, die vom Volk gewählt wird, und die einem Parlament verantwortlich wäre. Einige Deutsche, die während der gescheiterten Revolution eine führende Rolle spielten, hatten Angst wegen ihrer Zukunft in Deutschland (mögliche Strafen) und wanderten aus. Einige kamen nach Australien auf der Suche nach einer freieren Gesellschaft; jedoch wäre die Zahl der 48er-Einwanderer klein gewesen, die nur aus diesen politischen Gründen kamen. Die wirtschaftliche Lage in Deutschland spielte sicher auch eine Rolle bei ihrem Entschluss, und dann hätte das Scheitern der Revolution ihren Entschluss bestätigt. Auswanderer, die von dem Mangel an demokratischer Änderung in Deutschland motiviert wurden, waren Stadtmenschen, aber die Mehrzahl der deutschen Auswanderer war Kleinbauern, ländliche ungelernte Arbeiter und Handwerker - es interessierte sie nicht sehr, was in den Städten passierte, sie interessierten sich für die Fragen ihres Dorfes und für die Ernten und den Boden.

In den späten 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts flüchteten viele Deutsche und Österreicher aus dem Deutschen Reich, um Hitlers Verfolgung von Künstlern, Intellektuellen und Juden zu entkommen; viele kamen nach Australien. Die unglückliche Reise der Passagiere auf dem britischen Schiff Dunera brachte deutsche und österreichische Flüchtlinge zur Internierung nach Australien, die bei Kriegsende hier blieben, und wichtige Beiträge zur australischen Gesellschaft leisteten.

Soziale Gründe

Ein anderer Grund für die Auswanderung war ein sozialer Abstieg von Menschen infolge sozialer oder wirtschaftlicher Änderungen. Und wenn sich diese Menschen mit dieser Änderung ihrer sozialen Situation nicht abfinden konnten, wanderten sie aus. Beispiele: 1) Ein Bauer, der früher sein eigenes Land besaß, musste auf einmal als einfacher Tagelöhner für andere arbeiten. Möglicher Grund - kleine Bauernhöfe waren nicht mehr rentabel, zum Beispiel in den südwestdeutschen Staaten, wo beim Tod des Vaters sein Land unter seinen Kindern in gleich großen Stücken aufgeteilt wurde („Realteilungserbrecht“). 2) Ein selbständiger Handwerker musste wegen der Industrialisierung Deutschlands ab 1871 auf einmal als Fabrikarbeiter arbeiten. Diese Leute sahen vielleicht ein neues Leben in einem Land wie Australien.

Die Kategorie der Auswanderer, die aus sozialen Gründen motiviert wurden, umfasst auch Leute, deren Handlung etwas „spekulativ“ war; sie hatten ein ziemlich gutes Leben zu Hause in den deutschsprachigen Ländern, trotzdem waren sie neugierig zu sehen, ob es ihnen noch besser gehen könnte in einem Land wie Australien - ein bisschen Abenteuer. Dies schließt natürlich die Tausende von deutschsprachigen Europäern, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu den Goldfeldern Australiens (besonders Victorias) strömten, ein.

Manche Deutsche, die ab den späten 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts nach Australien kamen, hatten wohl ähnliche Motive. Zwar fingen die Boomzeiten („Wirtschaftswunder“) in der westdeutschen Wirtschaft an, nach einem Leben in den Ruinen des Zweiten Weltkrieges, doch es gab Leute, die sich für ein neues Leben in Australien begeisterten, wo die Wirtschaft auch im Aufschwung begriffen war.

Während der 70er und 80er-Jahre des 20. Jahrhunderts gab es in Deutschland großes Interesse für eine Auswanderung nach Australien, trotz der Tatsache, dass es der australischen Wirtschaft nicht besonders gut ging. Mehr Deutsche wollten nach Australien auswandern als in irgendein anderes Land. Auswanderer beschrieben ihre Gefühle so: Unzufriedenheit mit dem Leben im dicht besiedelten, hektischen Deutschland; Wunsch nach einer saubereren Umwelt/Natur; Auffassung, dass Australien ein sicherer Platz im Fall eines Atomkriegs in Europa wäre. Schöneres Wetter war und ist noch für viele auch ein wichtiger Grund!

Diese Faszination der Deutschen während der 80er Jahre mit Australien als Auswanderungsziel spiegelt sich im Lied „Australien“ auf der Platte „Weibsbilder“ der Sängerin/Liedermacherin Pe Werner aus dem Jahr 1989. Der Song ist über eine junge Frau, die ihren Problemen in Deutschland entkommen will und davon träumt, nach Australien auszuwandern. Du kannst den Text hier lesen.

Die australische Behörde hat zur Zeit strenge Kriterien für Einwanderungsanträge. Im Jahre 2000 waren die Zahlen der Einwanderer, die in den wichtigsten deutschsprachigen Ländern geboren sind, wie folgt:
Österreich 72, West-Deutschland (BRD) 582, Ost-Deutschland (DDR) 2, Deutschland (seit der Vereinigung im Jahre 1990) 84, die Schweiz 186. (Insgesamt = 926. Die Zahlen beziehen sich auf das Geburtsland, nicht auf die Muttersprache.)

Die Website Auswandern-aktuell spezialisiert sich auf das Thema Auswanderung. Im Jahre 2001 stand in der Site folgendes über Australien:

„Australien ist das Traumland für Auswanderer schlechthin. Pro Jahr nimmt das Land etwa 80.000 Auswanderer auf, wobei ein ausgeklügeltes Selektionssystem die Spreu vom Weizen trennt. Alles über das Land Ihrer Träume, wer einwandern darf, und wer nicht, können Sie hier nachlesen.“

Die Website bietet auch die Möglichkeit, an einer elektronischen Umfrage teilzunehmen. Die Umfrage stellt die Frage: „Warum würden SIE eigentlich gerne auswandern?“ Die Site bietet folgende Antwortmöglichkeiten:

Viel Sonne / höhere Lebensqualität / Hier ist alles irgendwie festgefahren / Mir stinkt die alte Heimat einfach! / Neue Menschen und Aufgaben reizen mich / Ein Häuschen unter Palmen, viel Sonne... / Ich will noch mal neu anfangen und die Ärmel hochkrempeln! / Hier hat man keine richtige Zukunft mehr / Andere Gründe

Einige deutsche Auswanderer finden, dass das Leben in Australien entspannter und weniger reglementiert als in Deutschland ist (siehe Fotos).

Siehe auch:
Marschalck, Peter. 1973. Deutsche Überseewanderung im neunzehnten Jahrhundert. Klett, Stuttgart.
Meyer, Charles. 1990. A History of Germans in Australia 1839-1945. Monash University, Clayton (Victoria).
Ortlepp, Gunar. 1982. „Kontinent der Träume“, SPIEGEL 18/1982, p 170 ff. & SPIEGEL 19/1982, p 174 ff.

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