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Südaustralien

Johann Friedrich Herbig

1855 verließ Friedrich Herbig, ein 27-jähriger Schneider, sein Dorf Grünberg (160 km südöstlich von Berlin, heute Teil von Polen), um nach Australien auszuwandern. Er reiste auf Flusskähnen die Oder entlang, durch die Stadt Frankfurt an der Oder, durch Berlin, auf dem Aller-Kanal, die Weser entlang und von dort nach Bremen. Am Mittwoch den 6. Juni 1855 war er einer von 110 Passagiere auf dem Segelschiff Wilhelmine, die ihre zweite Reise zu der Kolonie Südaustralien machte.

Am Montag, dem 3. Oktober, ging er ans Land und zog bald nach Blumberg (heute Birdwood), 45 km nordöstlich von Adelaide. Die Ansiedlung Blumberg war etwa sieben Jahre alt. Ein paar Wochen später hörte er von einem Arbeitsangebot in George Fife Angas' Molkerei „The Springs“, 19 km nördlich. Er machte sich ein Haus im großen ausgehöhlten Stamm eines knorrigen Eukalyptusbaums, der 6 Meter an der breitesten Stelle misst, und 21 Meter hoch ist. (Man schätzt, dass der Baum heute etwa 300-500 Jahre alt ist.) Die ausgehöhlte Öffnung liegt entgegen der Wetterseite, und der Baum lag für ihn günstig, da er am Ufer eines Baches und 1,5 km von der Mölkerei war, wo er arbeitete.

(Foto © D. Nutting) Baum
Herbig-Baum
(Foto © D. Nutting) Baum

Zunächst pachtete er die 32 Hektar Land, die er 11 Jahre später besaß, und pflanzte dort Weizen, während er seine Arbeit in der Molkerei fortsetzte.

Die Vesta erreichte Port Adelaide aus Hamburg am Samstag den 30. November 1856, mit Caroline Rattey (16 Jahre alt), ihrem Onkel und ihrer Tante an Bord. Sie ließen sich im Dezember 1856 in New Hoffnungsthal nieder. Sie waren Analphabeten. Rattey ist eine modifizierte englische Schreibweise des polnischen Namens Ratachi. 1857 zogen Carolines Onkel und Tante nach Black Springs (heute Springton), aber sie blieb in Hoffnungsthal, da sie eine Stelle als Dienstmädchen bei Johann Leske angenommen hatte.

Am Mittwoch, dem 4. November 1857, kam Johann Leskes Vater Samuel bei einem Unfall um, als die Pferde durchgingen, die seinen typischen deutschen Wagen zogen. Am Tag der Beerdigung war Caroline alleine im Leske-Haus und kümmerte sich um Johanns zwei junge Kinder. Ein Fremder klopfte an der Tür des Bauernhauses, und sagte, dass er verlorengegangene Rinder suchte. Man glaubt, dass er beobachtet hatte, wie Samuel Leskes Frau eine große Geldsumme aus der Kleidung ihres Mannes nach dem tödlichen Unfall entfernte, und glaubte nun, dass das Geld im Haus verborgen wäre. So versuchte er, es zu stehlen. Caroline sagte ihm, dass sie keine verlorengegangenen Rinder gesehen hatte, und versuchte, das Gespräch zu beenden, aber er griff sie an. Er schleppte sie zum Kuhstall, wo er einen Seil fand, mit dem er sie am Hals an einem Akazienbaum aufhängte. Er stach sie zudem mit einem Messer über der linken Brust und ging in das Haus, um Sachen zu stehlen.

Caroline war sehr stabil gebaut, und der Akazienbaum war flexibel, so dass ihr Gewicht ihre Füsse den Boden erreichen ließ. Sie befreite sich und rannte etwa einen Kilometer zu einem anderen Bauernhaus, bevor sie zusammenbrach. Der Arzt meinte später, dass der Grund dafür, dass sie nicht verblutete, ihre Körperfülle war; das Fettgewebe hatte die Wunde abgedichtet. Carolines Angreifer wurde nie gefasst, aber er konnte das Geld auch nicht stehlen; Samuels Frau hatte es zur Beerdigung mitgenommen, in ihrer Kleidung eingenäht.

Nach dem Überfall zog Caroline zu ihrer Tante und ihrem Onkel nach Black Springs, wo sie Friedrich Herbig kennenlernte. Der Pastor, der sie am 27. Juli 1858 verheiratete, war einer der ersten Graduierten vom ersten lutherischen Seminar für die Ausbildung von Pastoren in der südlichen Hemisphäre. Das „Seminar“ war eine Hütte in Lobethal, und Pastor Daniel Fritzsche unterrichtete dort (die Hütte wird heute im Kirchenmuseum in Lobethal bewahrt). Caroline und Friedrich fingen an, im Baumhaus zusammenzuleben. Im September 1860 nach der Geburt ihres zweiten Kindes beschlossen sie, dass sie mehr Platz brauchten, also zogen sie in eine Hütte aus Holz und Lehm, mit zwei Zimmern und einem Strohdach, die Friedrich baute, ungefähr 370 Meter stromaufwärts vom Baum gelegen. Am 4. Dezember 1864 schloss sich Friedrichs Mutter Anna Rosine ihnen an, nachdem sie von Hamburg auf der Suzanne gekommen war.

Foto: Hochzeitsfoto

Caroline und Friedrich hatten 16 Kinder (siehe unten). Die Friedensberg lutherische Gemeinde wurde1859 in Black Springs gegründet, und Gottesdienste wurden in Privathäusern gehalten, bis die Kirche 1861 errichtet wurde. Friedrich Herbig wurde Gemeinde-Ältester, Laienprediger, und Vorsteher der Gemeinde.

Im Oktober 1886, während er eine Ladung Spreu an Friedrich Kuchel lieferte, stürzte Friedrich Herbig von seinem Wagen, als er einen kleinen Fluss überquerte, und erlitt eine Gehirnerschütterung. Er starb später am Montag den 18. Oktober. Sein ältestes Kind August war 27 und sein jüngstes, Clara, war 15 Monate alt. Am 19. März 1927 starb Caroline, und sie hinterließ 4 Söhne, sowie 5 Töchter, 44 Enkelkinder und 35 Urenkelkinder.

(Foto © D. Nutting) Grabstein
Grabstein von Friedrich,
Friedensberg
(Foto © D. Nutting) Grabstein
Grabstein von Caroline,
Friedensberg

Die Kinder Carolines und Friedrichs
Sie nannten ihre ersten sieben Söhne Johann und benutzten in jedem Fall den zweiten Namen als Rufname. In Deutschland war es damals normaler Brauch, den zweiten Namen zu benutzen. Der Vater von diesen sieben Söhnen (Friedrich) und ihr Großvater hatten beide Johann als ersten Namen bekommen.

Namen: Rufname: geboren:
Johann August August 4. August 1859
Johann Wilhelm Wilhelm 30. September 1860
Johann Friedrich Fred 8. April 1862
Johann Reinhold Busy 14. August 1863
Johann Heinrich Harry 10. April 1865
Johann Gustav Gush 23. März 1867
Anna Auguste Auguste 17. August 1868
Johann Carl Carl, Charlie 15. Mai 1870
Maria Elisabeth Mary 5. März 1872
Anna Elisabeth Annie 29. November 1873
Johanne Hermine Minnie 20. August 1875
Ernst Albert (war das erste Kind, dessen Rufname der erste Name war) 19. September 1877
Emma Lydia   4. März 1880
Lydia Mathilde   20. Oktober 1881
Johannes Emmanuel Jack 7. Februar 1884
Clara Amanda   3. Juli 1885
(geboren 5 Monate nach dem 45. Geburtstag ihrer Mutter)

Namen - ein Beispiel aus Nordamerika
Diese Art, Kinder zu benennen, war nicht etwas Einzigartiges bei den Deutschsprachigen im Barossa Valley. Die australische Linguistin Kate Burridge hat über Spitznamen geschrieben:

"Für einige Gruppen können Spitznamen entscheidend für die Identifikation sein. Bei konservativen Täufergruppen in Nordamerika (den Old Order Amish und Mennoniten) stammen die Vornamen aus dem Alten Testament und es gibt eine begrenzte Anzahl von Familiennamen. In dem kleinen Dorf St. Jacobs in Ontario gibt es zum Beispiel etwa fünfundvierzig David Martins, die beim örtlichen Postamt registriert sind. Die Leute haben also in der Regel einen unterscheidenden Spitznamen."

Die meisten Siedler in der Gegend von St. Jacobs im südöstlichen Ontario in Kanada waren Mennoniten aus Pennsylvania in den USA, die Pennsylvania-Deutsch sprachen. Sie wurden aufgrund ihres konservativen Lebensstils als "Old Order" Mennoniten bekannt.

Mennoniten?
Mennoniten sind ein Zweig des Täufertums, eine bestimmte Form des Christentums. Diese Christen finden, dass man sich Jesus Christus als Vorbild nehmen soll. Man hat sie Täufer genannt, weil sie die Taufe besonders wichtig finden. Sie finden es besser, dass man nicht als Baby, sondern als Jugendlicher oder Erwachsener getauft wird.
Die allermeisten Täufer leben heute nicht in Europa, sondern in Amerika oder Russland. Dorthin sind sie vor Jahrhunderten ausgewandert. Viele Täufer in Nordamerika sprechen immer noch Deutsch oder einen deutschen Dialekt. Die bekanntesten und größten Gruppen sind die Amischen, die Mennoniten und die Hutterer.
Einige Mennoniten leben streng und traditionell und benutzen keine Radios oder Fernseher, Computer, Handys und ähnliche Geräte.

Quelle: Klexikon - Wiedertäufer

Der bekannteste Nachfahre
Foto: Simon Goodwin in einem australischen Fußballspiel für die Mannschaft Adelaide Crows. Foto mit freundlicher Genehmigung von AFL Photos.Es gibt viele Hunderte von Nachkommen von Caroline und Friedrich Herbig, in verschiedenen Teilen Australiens und im Ausland. Der wohl berühmteste ist der Fußballspieler und -trainer Simon Goodwin. Friedrich und Caroline Herbig waren Simons Urururgroßeltern. Er absolvierte zwischen den Jahren 1997-2010 275 Spiele für die südaustralische Mannschaft Adelaide Crows, und war Mitglied der zwei Adelaide Crows Mannschaften, die nationaler Meister wurden (1997 und 1998). Simon Goodwin wurde fünf mal in das All-Australian-Team gewählt (dieses Team ist eine Art Dream-Team, das am Ende jeder AFL-Saison von einer Expertengruppe bestimmt wird, also eine Ehrenauswahl der besten Spieler des Jahres). 2017 wurde er in die Australian Football Hall of Fame aufgenommen.

Am Ende seiner Spielerkarriere begann er seine Laufbahn als Trainer. 2017 wurde er der neue Trainer der Mannschaft Melbourne FC in der nationalen Liga. Im Mai 2021 war seine Mannschaft nach mehreren Spielen unbesiegt und Tabellenführer.

(Foto mit freundlicher Genehmigung von AFL Photos)

Zusammengefasst aus:
Herbig, David. (1968). Family History of Friedrich Herbig. Adelaide: Lutheran Publishing House.
Eine neu bearbeitete Version (8. Auflage, 2008) dieser interessanten Geschichte der Herbig-Siedler und des Herbig-Baumes, Once there was a very old Gum Tree (1979), ist erhältlich für $AUS 12.50 samt Porto von David Herbig, 'The Gums', Springton 5235, South Australia.
Burridge, Kate. (2002). Blooming English : observations on the roots, cultivation and hybrids of the English language. Sydney: ABC Books. S.212, 214

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