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Deutsche Einwanderung in Australien - Materialien für Schüler/Studenten

1961 - MARLIES JOHNSON

Als ich klein war, starb mein Vater während des zweiten Weltkrieges und meine Mutter starb kurz nach dem gleichen Krieg. Ich war Einzelkind und zog zu meiner Großmutter. Auch sie starb bald. Meine Großmutter hatte Bekannte gebeten, sich um ihr Enkelkind zu kümmern, wenn sie nicht mehr da sein würde. Leider war aber damals das Leben für alle schwierig und ich musste in ein Waisenhaus. Als die Zeiten besser wurden, konnte ich, jetzt zehn Jahre alt, zu einer neuen Pflegefamilie ziehen.

All dies geschah in Kleinmachnow, das in Ostdeutschland sehr nah an der Grenze zu Westdeutschland lag. Unser Haus lag circa 500m von der Grenze entfernt. Da sich Kleinmachnow damals im kommunistischen Teil Deutschlands befand, wurde das Leben für meinen Pflegevater, der in West-Berlin ein Geschäft hatte, aus politischen Gründen unerträglich, er entschied sich deshalb mit der ganzen Familie, einschließlich mir, nach West-Berlin zu ziehen.

In Berlin bekam ich eine gute Handelsschul-Ausbildung und fand sehr schnell eine Stellung in der Personalabteilung der holländischen Firma PHILIPS, konnte aber kaum meinen einundzwanzigsten Geburtstag erwarten, den Tag, an dem ich mündig werden würde.

Kurz nach meinem 21. Geburtstag akzeptierte ich einen Job in England als ‘au pair’ Mädchen, um Englisch zu lernen. Danach wollte ich weiter nach Sao Paolo, wo man mir auch Arbeit angeboten hatte – aber ich hatte Pech – der Job fiel ins Wasser. Zu dieser Zeit nun hatte ich einen jungen Australier kennengelernt, der in Berlin war, um Deutsch zu lernen. Er hieß: John Johnson (‘ulkiger Name’, dachte ich). Diesem John erzählte ich von der verlorengegangenen Stellung in Sao Paolo, worauf er vorschlug, doch nach Australien auszuwandern. Da ich eigentlich nur das politisch damals noch immer sehr heiße Berliner Pflaster verlassen wollte, stellte ich einen Auswanderungsantrag, der auch sofort akzeptiert wurde. Sechs Monate später, im Juli 1961, saß ich in einem KLM-Flugzeug, dem ersten, das Einwanderer per Luft, statt per Schiff nach Australien beförderte.

Der Flug begann in Bremen, und es war eine Maschine mit vier Propellern (vielleicht eine Lockheed Constellation). Wir hatten immer die gleichen Piloten, immer die gleiche Crew, immer die gleichen Fluggäste. Während der Nacht wurde nicht geflogen. Wir übernachteten in Hotels. Das erste war in Beirut (herrlich warmes Wasser zum baden im Mittelmeer), das zweite in Karatschi, wo ich zum erstenmal in meinem Leben Geckos sah, das dritte in Bangkok, gelegen in sehr schönem Regenwald, das vierte auf einer indonesischen Insel (verbunden mit romantischen Erinnerungen) und das fünfte Hotel war in Brisbane. Unterwegs freundete man sich logischerweise mit anderen Auswanderern an und ich im besonderen mit zwei Aschaffenburgern, die beide ihr Glück in Oz probieren wollten. In Brisbane wollten wir unseren Abschied feiern – aber Pustekuchen. Nach sechs Uhr abends bekam man nichts mehr zu trinken, außer in besseren Restaurants. Und da keiner von uns Geld hatte, fiel die Feier aus. Aber Brisbane ist uns allen in dementsprechend kümmerlicher Erinnerung geblieben. Mit den beiden Jungen blieb ich immer in Kontakt und in diesem Jahr (Juli 2001) feiern wir unser 40-jähriges Jubiläum in Australien.

Nach fünf-tägigem Flug erwartete John mich schon in Essendon (Flughafen). Die Wiedersehensfreude war groß. John war mein einziger Kontakt in Oz, und die beiden Jungen aus Aschaffenburg waren sehr neidisch darauf!! Sie mussten nach Bonegilla, ich nicht.

Eine schwierige Zeit begann jetzt für mich, denn ich fand sehr bald heraus, dass deutsche Büro-Kräfte nicht gesucht waren. Ich fand also nicht gleich Arbeit, hatte Langeweile, denn John war Lehrer auf dem Lande (Terang) und wir sahen uns nur alle zwei Wochen. Dann quartierten mich seine Eltern, bei denen ich die ersten paar Tage untergebracht war, aus, denn sie wollten verreisen. Ich wurde im YWCA untergebracht, wo man sich um sich selber kümmern musste. Sehr langweilig, denn ich hatte nichts zu tun und kannte auch niemanden, und los war überhaupt nichts damals in Geelong.

Dann das langweilige Essen. Ich konnte mich ewig nicht an das schwammige Brot hier gewöhnen, fand dann aber etwas Schwarzbrot in einem holländischen Delikatessen-Geschäft. Und Wurst fehlte mir, und Käse, und anständiger Kaffee... Dies alles handelt sich nur um circa vier Wochen, jedoch kamen sie mir ewig vor.

Weil ich keine Büro-Arbeit fand, arbeitete ich also wieder als Kindermädchen: zuerst auf einer Farm in Zentral-Victoria, wo ich es nur zwei Wochen aushielt. Die Einsamkeit, die Kälte im Juli, die unerzogenen Kinder, das schwammige Weißbrot – John bekam ein SOS. Dann eine ähnliche Stelle in Melbourne, die besser war. Ich fühlte mich aber noch immer einsam, zumal John 500 km entfernt lebte. Oft fragte ich mich, wovon ich in Berlin wohl besessen war, als ich Johns Vorschlag annahm. Aber ich hatte mich ja nur für zwei Jahre verpflichtet, außerdem mochte ich John sehr gern.

Als der Frühling ins Land zog, hob sich meine Stimmung. John und ich heirateten, und nur selten denke ich an die ersten harten Monate in Australien.

- Marlies Johnson


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