Logo: zur Leitseite Chronologie Themen Schüler Site-Übersicht in English

Südaustralien

Kapitän Dirk Hahn und die „Hahndorf“-Passagiere nach Südaustralien

Kapitän Hahn wurde in dem Dorf Westerland auf der Nordsee-Insel Sylt geboren und starb dort auch. Zunächst hatte er keine Lust, eine Reise mit Auswanderern nach Südaustralien zu machen, da seine einzige vorherige Erfahrung mit Auswanderern nicht angenehm war, und das war die relativ kurze Seereise nach New York (Cuxhaven nach New York, den 15. September bis den 10. November 1836, mit 140 deutschen Auswanderern, Hahns erste Reise als Kapitän der Zebra). Er half seinen Auswanderern, Land in der Nähe von Adelaide zu kaufen.

Ungefähr im Jahre 1849 schrieb er diese Erinnerungen. Nachdem seine Passagiere aus Dankbarkeit später ihre Siedlung Hahndorf benannten, beschrieb er seine Reise nach Australien mit einer Auswanderer-Fracht wie folgt:

(Trennungslinie)

Am 22. Juni 1838 kamen wir mit unserem Schiff Zebra von der Elbe in die Stadt Hamburg. Während des Löschens spekulierten wir auf verschiedene Frachten. Am günstigsten schien eine Tour nach Archangelsk, wozu ich wohl Lust hatte. Zufällig bot sich uns auch eine Fracht mit Auswanderern nach Adelaide in Südaustralien. Diese Nachricht überfiel mich wie ein kalter Regen. Eingedenk was es mich für Mühe und Verdruss gekostet hatte, eine solche Ladung nur nach New York zu bringen, sagte ich gleich: „Wenn die Leute sich selbst beköstigen und einen Befehlshaber über sich haben, dass ich mit ihnen weiter nichts zu tun habe, als sie zu ihrem Ziel zu bringen, soll es an meinem Willen nicht fehlen.“ Doch machte ich Herrn Reeder Dede aufmerksam, dass für diese Reise ein Chronometer nebst einer bedeutenden Anzahl Karten und Bücher erforderlich war.

Die Zeit drängte, so dass wir uns selbigen Tags auf Ja oder Nein entschließen mussten.

In meinem Lehen hatte ich noch nicht den Namen dieses Ortes Adelaide gehört. Eine Fracht nach dahin abzuschließen, ohne wenigstens zu wissen, ob man auch wirklich dorthin fahren könnte, ließ sich doch keineswegs tun. Makler Schröder, durch den diese Befrachtung gemacht wurde, war gleich erbötig, mit mir an Bord des englischen Schiffes, Prince George, zu gehen, das ebenfalls nach Adelaide bestimmt war. Ich wollte mich nach den Verhältnissen dieses Ortes erkundigen und die entsprechenden Lagekarten einsehen. Der Kapitän der Prince George war sehr bereitwillig, mich von allem zu unterrichten, was ihm bekannt war, und zeigte mir seine Karte.

Inzwischen wussten schon viele meiner Bekannten die Einzelheiten der Fracht nach Adelaide. Jeder riet mir, diese Reise doch ja nicht zu unternehmen. Allein, ginge ich wieder unverrichteter Dinge zu Herrn Dede zurück, würde der mich gewiss für feige halten, als ob ich mich fürchtete, nach Australien zu fahren.

Am 28. Juli 1838 kamen die Auswanderer an Bord, einhundertneunundneunzig Seelen an der Zahl. Sie mussten ihres Glaubens wegen von Preußen auswandern und waren wirklich sehr religiös. Abends und morgens wurde eine Predigt gehalten, gebetet und gesungen. Ihr Gesang klang wunderschön über den Hafen. Wer sie hörte, gab ihnen das Zeugnis, eine seltene Gabe im Singen zu haben. Dieses lockte uns jeden Abend so viele Menschen an Bord, vornehmen und geringeren Standes, dass gar oft die Rüsten voll hingen und kaum Platz mehr auf Deck war. Wer nur halbwegs mit mir bekannt war, bat mich, an Bord kommen zu dürfen, so dass wir zu mehreren Malen abends mit achtundzwanzig Personen in der Kajüte waren. Während wir noch im Hafen lagen, starben schon zwei Kinder, die auf dem Altonaer Kirchhof für Arme begraben wurden.

Nun werde ich den Zustand der Passagiere schildern, deren Lage sich mitleidsvoll darstellt. Mit sechsundzwanzig Kranken verließen wir die Elbe. Dann machte die Seekrankheit auch den Rest, bis auf zwei bejahrte Männer, bettlägerig. Die Mehrzahl erholte sich sehr langsam, denn die bejahrten Leute, die in ihrem ganzen Leben nichts als ihre ländlichen Speisen, meist aus Milch und Kartoffeln bestehend, gewohnt waren, konnten sich durchaus nicht an die Schiffskost gewöhnen. Die heiße Zone machte den Menschen merklich zu schaffen. Besonders im Schiffsinneren, bei dem Gedränge so vieler Menschen, war die Hitze furchtbar. Sie stieg soweit, dass man mir eine Stange Siegellack zeigte, die in Papier eingewickelt in einer Kiste gelegen hatte, und die in einem Klumpen zusammengeschmolzen war. Kränklichkeit herrschte überall. Sie schien mit jedem Tag zuzunehmen. Todesfälle ereigneten sich auch häufiger, so dass bis dahin, am 24. September, die achte Leiche über Bord gesetzt werden musste.

Der Doktor erklärte die unter dem Volk herrschende Krankheit für Typhus oder Nervenfieber. …Allenthalben hörte man ihr Jammern und Wehklagen: „Ach, es wird keiner von uns nach Australien kommen, wir werden noch alle über Bord müssen.“

Aber nicht genug habe ich ihre Standhaftigkeit bewundern können, wie sie nach acht Jahren täglicher Verfolgung ihrem Glauben treu geblieben sind, selbst ohne gemeinschaftliche Zusammenkünfte, nachdem ihre Prediger von ihnen vertrieben worden waren. Sie waren, wenn man sie entdeckte, mit Geldstrafen sehr gedrückt worden. Dabei hatten sie nichts weiter getan, als dass derjenige unter ihnen, der sich begeistert fühlte, auftrat und für die Anwesenden eine Predigt hielt. So betrieben sie es auch an Bord und wichen dabei gewiss nicht von der lutherischen Glaubenslehre ab. Fälschlich sind diese Menschen in Hamburg als Mystiker oder Mucker ausgerufen worden. Sie sind Meilen Weges gereist, in Wäldern das heilige Abendmahl zu empfangen von ihren Predigern, die allenthalben als Flüchtlinge umherirrten. Ja, oft haben die Väter ihre Kinder aus Mangel an Predigern selbst taufen müssen.

Trotz allem zeigten sie einen ausgezeichneten Beweis von Gutmütigkeit. Mehrere Kopien von Ersuchungen an den König von Preußen um freie Religionsübung haben sie mir vorgelegt. Sie waren dermaßen abgefasst, dass man es heute fast nicht glauben konnte, dass ihre Bitten ausgeschlagen wurden. Ihre alten Kirchen und Schulen wollten sie abtreten, sich selbst neue bauen. Auch das bedeutende Kapital, das der Gemeinde zusätzlich zu ihrer Kirche gehörte, wollten sie samt Kirchengebäude den Calvinisten übergeben. Sie hätten sich sogar gefallen lassen, in einen entlegenen Ort in Preußen vertrieben zu werden. Aber dessen ungeachtet sind alle ihre Bitten und Vorstellungen fruchtlos geblieben. Endlich haben sie zwei Deputierte aus ihrem Kreis gewählt, die ihre Bitten mündlich dem König vortragen sollten. Diese sind aber abgewiesen worden, weil der König ihnen keine Audienz geben wollte.

Die auf ihre wiederholten schriftlichen Bitten endlich erfolgte Erwiderung von der Regierung habe ich nicht gesehen, allein die übereinstimmende Aussage dieser verehrten Männer lässt mich an der Wahrheit nicht zweifeln. Danach hat die Regierung alle ihre Bitten abgeschlagen, und sie seitdem noch schlimmer verfolgt als früher.

Dann, vor zwei Jahren, ist ihnen aber die Erlaubnis erteilt worden, auszuwandern, worauf viele ihre Habseligkeiten verkauften. Bevor sie jedoch abreisen konnten, ist diese Erlaubnis widerrufen worden. Die Menschen haben dann das meiste des erlösten Geldes untätig verzehren müssen, weil erst zwei Jahre später die endgültige Erlaubnis, auszuwandern, gegeben wurde. Viele unter ihnen sind dadurch in große Armut geraten. Dennoch hörte ich sie öfters in ihrem Abendgebet für den König von Preußen beten, dass Gott ihn wegen seines Verfahrens gegen sie nicht strafen möchte, sondern dass der König zu der Erkenntnis gelangen möge, wie ungerecht er sie behandelt habe, damit er nicht in seinen Sünden sterbe; wenn Gott ihm nur seine diesbezüglichen Sünden vergab, sie wären ihm in ihren Herzen versöhnt. Mein Verstand steht still bei diesen Gedanken, doch ich habe bereits früher gesagt, dass meine Absicht nur ist, die Ereignisse so darzustellen, wie sie mir begegnen, und nicht sie zu beurteilen.

Ein Stein mag sich erbarmen über den Anblick, ein ganzes Deck voll armseliger Menschen auf den Knien liegen zu sehen, die alle vereint Gott um Segen und Beistand zu ihrem Unternehmen anflehen. Wie oft habe ich die Worte beten gehört: „Nicht Begierde, einen fremden Weltteil zu sehen, nicht eitler Wunsch nach Schätzen hat uns zu diesem Unternehmen geführt, nur allein der Glaube an Dich, oh Gott, und Dein heiliges Wort hat uns diesen Schritt zu tun genötigt. Darum führe Du uns auf einen Flecken in Deinem Schöpfungsraum, worauf wir leben und Dein heiliges Wort lauter und rein verkündigen können.“

Die Genügsamkeit dieser Leute, sowohl an Essen und Trinken jetzt, wie auch früher an ihrem verlorenen landwirtschaftlichen Betrieb, kann ich ebenfalls nicht ohne Bemerkung übergehen. Sie haben nur von Milchspeisen, Kartoffeln und Brot gelebt. Luxusartikel wie Kaffee, Zucker, Tee und dergleichen, so haben mir selbst die Bemittelten unter ihnen gesagt, seien nie in ihre Häuser gekommen. Ihre Kühe, von denen sie die Milch hatten, haben sie anstelle von Pferden vor den Pflug gespannt. Ein Mann aus dem Dorfe Nickern, unweit Züllichau, namens Thiele, dem nur eine Kuh gehörte, hatte sogar stets seine Frau an der Seite der Kuh vor den Pflug gespannt und mit diesem ungleichen Paar sein Land bearbeitet.

Es waren Eltern unter ihnen, die ihre Kinder dort zurückgelassen hatten; aber auch Kinder, freilich erwachsene Leute, deren Eltern zurückgeblieben sind. Auch eine alte Frau von siebenundsechzig Jahren, die sich von ihren Kindern getrennt hatte, befand sich ganz allein unter den Passagieren. Sie besaß nicht einmal ein Bett, worauf sie liegen konnte, viel weniger dass sie einen Heller Vermögen hatte.

…Am 27. Dezember mittags erblickten wir unter dem Freudengeschrei der Passagiere die „Känguru Insel“. Am Abend erreichten wir die Investigator Strait. Den folgenden Tag segelten wir den Golf von St. Vincent hinauf. Mittags erblickten wir ein paar Schiffe vor Anker liegen. Mit dem Trost, dass wir doch nicht die einzigen waren, die an jenem Gestade landeten, setzten wir unseren Kurs auf diese zu und ankerten in ihrer Nachbarschaft. Das war am 28. Dezember nachmittags zwei Uhr, nach hundertneunundzwanzig Tagen Reise, in der Holdfast Bay.

Wir ließen auf der Zebra die erste fremde Flagge an dem Gestade dieser neuen Kolonie wehen, was mit Wohlgefallen die Aufmerksamkeit vieler gebildeter englischer Kolonisten auf sich zog. Daher kam am Tage nach unserer Ankunft eine ganze Gesellschaft vornehmer Personen zu uns an Bord. Sie bewillkommneten uns ganz freundlich und baten um Erlaubnis ins Zwischendeck gehen zu können, um die Passagiere und unsere Einrichtung zu sehen, was ich ihnen mit Vergnügen zeigte. Freilich waren auf der Reise elf Personen gestorben, sechs Erwachsene und fünf Kinder, die übrigen aber, hundertsiebenundachtzig Seelen an der Zahl, lebten alle in blühender Gesundheit. Es war gerade an einem Sonntag, so dass die Leute sich auf ihre Art recht ordentlich gekleidet hatten. Das Zwischendeck war sauber und rein. Die größte Ordnung herrschte unter ihnen und auf meinen Wink hörte man auch keinen Laut, während diese Herren durch das Zwischendeck gingen. Wer von ihnen befragt wurde, gab eine bescheidene Antwort, kurz, ich sah, dass die Kolonisten ihr größtes Wohlgefallen an diesen Menschen hatten.

Als wir wieder auf Deck kamen, konnten diese Herren ihre Genugtuung über das Aussehen unserer Passagiere, sowie über die Reinlichkeit und Ordnung nicht genug zu erkennen geben.

(Auszüge aus: Dirk M. Hahn. Die Reise mit Auswanderern von Altona nach Port Adelaide Süd-Australien 1838. ed. Martin Buchhorn. Pendo-Verlag, Zürich 1988. Mit freundlicher Genehmigung des Verlags. Ursprünglich geschrieben von Kapitän Hahn in seinem Notizbuch unter dem Titel: Die merkwürdigsten Begebenheiten / meines Lebens. / Von meinem 35ten Lebensjahr bis zum 48ten Jahr / meines Alters.)

[This page in English]


| Oben | Zurück | Chronologie | Themen | Schüler | Site-Übersicht | in English |
| Primärquellen | Bibliographie | Suche |
German Australia © D. Nutting 2001