Logo: zur Leitseite Chronologie Themen Schüler Site-Übersicht in English

Deutschsprachige in Australien

'Charles Rasp'

Foto: RaspIn seinem Antrag auf Einbürgerung behauptete Charles Rasp, dass er am 7. Oktober 1846 in Cannstatt (bei Stuttgart) geboren war. Kein Charles Rasp, oder Carl/Karl Rasp/Raspe steht im Geburtenregister von Stuttgart für die Jahre um 1845-1846, und von Canstatt auch nicht. Die Historikerin R Maja Sainisch hat bemerkt, dass niemand mit dem Namen Charles Rasp jemals in Sydney, Adelaide oder Melbourne ankam, und nimmt an, dass der Mann, der ab mindestens Mai 1871 in Australien als Charles Rasp bekannt war, vielleicht im Melbourner Hafen am 8. Februar 1871 auf der Peggy unter dem Namen „van Hengel“ ankam. Mr „van Hengel“ ist der einzige „unassisted foreign subject“ (nicht subventionierter ausländischer Untertan) in der Liste von Ankömmlingen in Australien zwischen Weihnachten 1870 und Juni 1871 (das heißt, die Zeitperiode, in welcher der Mann mit dem Namen Charles Rasp in Australien vermutlich angekommen ist).

Der wirkliche Name des Mannes mit dem Namen Charles Rasp war Hieronymus (Jerome) Salvator Lopez von Pereira. Sein Großvater war Mitglied der portuguesischen Aristokratie und ein hochrangiger Politiker. Jeromes Vater arbeitete für einen deutschen Prinzen in Portugal. Der Prinz kehrte nach Deutschland zurück und Jeromes ging mit, und in Deutschland heiratete er eine aristokratische Dame, mit der er drei Söhne zeugte. Jerome war am 23. November 1847 in einem Schloss im Königreich Sachsen geboren. Seine Eltern starben früh (Vater 1854, Mutter bis 1859), und im Alter von 12 wurde Jerome zu Verwandten nach Paris geschickt; Frankreich wurde für ihn eine zweite Heimat und dort erhielt er eine gute Erziehung. Jerome sprach vier Sprachen außer seiner Muttersprache Deutsch: Französisch, Englisch, Russisch und Portuguesisch.

1865 lernte Jerome die Gräfin Frieda Odkolek kennen und verliebte sich in sie. Der Vater der Gräfin akzeptierte Jerome und seinen Hintergrund nicht und erlaubte es seiner Tochter nicht, Jerome zu heiraten, was angeblich Jerome das Herz brach. Im Dezember 1870 war er 23 Jahre alt und Offizier in der Königlichen Sächsischen Armee bei der Belagerung von Paris während des französisch-preußischen Krieges. Während der Belagerung lernte er den Engländer Archibald Forbes kennen, der im Dezember Jeromes Regiment als Kriegskorrespondent für die Zeitung Daily News begleitete. Die Umstände an der Front im Winter 1870/71 waren entsetzlich, und in seinen Berichten schrieb Forbes, dass beim Wachdienst Soldaten dutzendweise erfroren waren. Jerome hörte über Australien von Forbes, der in den 60er-Jahren einige Zeit dort verbracht hatte. Ein enger Freund von Jerome, Dr. jur. Emanuel Raspe, wurde am 2. Dezember 1870 im Kampf getötet. Dieser Vorfall und seine Seelenqual über diesen Krieg zwischen seinen beiden Heimatländern und die Tatsache, dass seine Lungen unter dem Winterwetter litten (er litt jahrelang unter einem sehr unangenehmen Husten nach seiner Ankunft in Australien), waren zu viel. Jerome verschwand aus der Schlacht, ging nach Holland und nahm ein Schiff nach Australien. Später übernahm er den Namen seines toten Freundes, Raspe.

Trotz seiner guten Erziehung verließ „Charles Rasp“ Melbourne sofort und verbrachte die nächsten paar Jahre folgendermaßen: er erntete Weintrauben bei Lilydale, suchte Gold im Norden Victorias, arbeitete auf Farmen im Grenzgebiet von Victoria/NSW, und in Zinn-Minen in Jingellic in demselben Gebiet. Rasp war mit „Zinn-Gelände“ vertraut, da Zinn in seiner Heimat, im Erzgebirge, seit mehr als 1000 Jahren abgebaut wurde. Er zog weiter nach Norden in New South Wales, arbeitete auf verschiedenen Schafstationen und be- und entlud Flussdampfer am Darling. Schließlich kam er an der Mt Gipps Station in der Barrier-Bergkette an, wo der Manager George McCulloch ihn als Grenzreiter beschäftigt hat.

Am 5. September 1883 steckte er einen Claim für einen Block von etwa 40 acres auf einem Hügel mit einer ungewöhnlichen Gestalt ab. Am folgenden Tag ritten er und andere Arbeiter der Mount Gipps Station hinaus, einschließlich des Managers, und steckten Claims zu sechs weitere Blöcken in demselben Gebiet ab. Rasp und die anderen sechs Männer bildeten das „Syndicat der Sieben“. Der erste Schacht, den sie auf dem „Broken Hill“ abteuften, wurde Rasp Shaft (Schacht) benannt. Um weitere Arbeit am Claim zu finanzieren, einigten sich die Sieben darauf, ihre Anteile in zwei Hälften zu spalten, und das Vierzehntel, das daraus entsteht, zu verkaufen, vorausgesetzt, dass sie den 1/14-Anteil zuerst an die anderen Syndikatsmitglieder anboten. Im Laufe der Zeit verspielten einige Syndikatsmitglieder ihre Anteile oder verkauften Teile ihres Anteils. Schließlich hatten von den 14 Syndikatsmitglieder Charles Rasp und George McCulloch die meisten Anteile, jeweils 3 Vierzehntel. Die Broken Hill Proprietary Company wurde am 16. Juli 1885 gebildet, obwohl Rasp nicht unter den Direktoren war, trotz der Tatsache, dass er einer der größten Aktionäre und Entdecker der Ader war. Die Mine war die größte Silber-Blei-Zink-Mine in der Welt, und BHP ist zu einem internationalen Bodenresourcen-Unternehmen geworden.

Foto: Agnes RaspMit dem Geld aus seinen Anteilen in Broken Hill konnte Rasp nach Adelaide gehen (Broken Hill liegt näher an Adelaide als an Sydney) und ein bequemes gesellschaftliches Leben in der großen deutsch-australischen Gemeinschaft dort anfangen. 1886 wurde er Friedensrichter (Justice of the Peace) in Adelaide und war Direktor in mehreren Unternehmen. Am 22. Juli 1886 heiratete er Agnes Maria Louise Klevesahl, die im Jahre 1882 auf der Wodan aus Hamburg in Adelaide angekommen war. Sie war die Tochter eines Grobschmiedes aus dem preußischen Dorf Woldenberg. Auf dem Schiff hatte sie Herrn Kindermann kennengelernt, der ihr eine Stelle als Kellnerin in seinem Cafe Kindermann in Rundle Street, Adelaide anbot. Nach der Hochzeit gingen sie für die Flitterwochen nach Broken Hill, was eine ungewöhnliche Wahl für damals scheint. Zurück in Adelaide zogen sie in eine große Villa in Medindie namens „Willyama“ ein und führten ein Luxusleben. Und oft luden sie Gäste zu Bällen und Abendgesellschaften ein.

Rasp, Agnes, ihr Dienstmädchen Anna Paech und Agnes' Stiefschwestern machten zusammen ausgedehnte Reisen, und in den Jahren 1900-1902 fuhren sie nach Europa. Während dieser Tour besuchten sie zweimal das Niederwald Denkmal in der Nähe von Frankfurt, errichtet 1871 um die Gefallenen im französisch-preußischen Krieg zu ehren. Sie lernten Freiherrn Feldmarschall Richard von und zu Eisenstein im vornehmen Badeort Karlsbad, Böhmen, kennen. Später, 1903, besuchte er sie in Adelaide.

Rasp hatte die 14-jährige Tochter seines Anwalts sehr lieb und am 9. Februar 1905 schrieb er in ihr Poesie-Album:

An album is...
A list of living friends: a holier room
For names of some since mouldering in the tomb
Whose blooming memories life's cold laws survive,
And, dead elsewhere, they here yet speak and live.

Nicht gerade ein paar fröhliche Zeilen für ein Teenage-Mädchen vielleicht, aber hat er sich selbst gemeint?, dass er es seinem Freund Dr Emanuel Raspe ermöglicht, anderswo tot, hier weiter zu sprechen und zu leben?

Foto: Willyama
Agnes und Charles Rasp vor ihrer Villa „Willyama“, Adelaide

Am 22. Mai 1907 starb Rasp plötzlich zu Hause an einem Herzanfall. Bei einer Reise nach Europa nach Charles' Tod verlobte sich Agnes mit dem fast 70-jährigen Freiherrn Richard von und zu Eisenstein, aber er starb am Tag vor der Hochzeit an einem Herzanfall in einem Londoner Hotel. Agnes heiratete im April 1914 Graf von Zedtwitz in London. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, blieben der Graf und die Gräfin von Zedtwitz bis Kriegsende in Berlin. Der Graf starb am Ende des Krieges, und die ehemalige Agnes Rasp kehrte 1920 nach Adelaide zurück, wo sie 1936 im Alter von 79 kinderlos starb.

Charles Rasp enthüllte niemandem seine wahre Identität.

Zusammengefasst aus:
Hawkins, John. 1997. „Charles Rasp and the model of the Broken Hill Mine“. Antipodes Antiques & Fine Art, Antipodes 1, pp42-55. Antipodes Publications, Victoria.
The Line of Lode Association. Charles Rasp. (source unknown)
Sainisch, R. Maja. 1984. „Charles Rasp: a born gentleman“. Journal and Proceedings (Broken Hill Historical Society), Vol. 20, December 1984, pp. 81–91.

Siehe auch:
Sainisch-Plimer, R.M. 1999. „The Life and Times of Charles Rasp“, in Minerals of Broken Hill, (W.D.Birch, Ed., Broken Hill City Council), pp. 12-33.

[This page in English]


| Oben | Zurück | Chronologie | Themen | Schüler | Site-Übersicht | in English |
| Primärquellen | Bibliographie | Suche |
German Australia © D. Nutting 2001