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Neu-Süd-Wallis

Die deutsche Besiedlung von New South Wales im 19. Jahrhundert - Überblick

Bis zur Abspaltung Victorias (1851) und Queenslands (1859) bildete die gesamte Ostseite des australischen Festlandes die Kolonie New South Wales. Als älteste Kolonie Australiens, die von Weißen besiedelt wurde, hatte der heutige Staat NSW bereits vor der Ankunft von irgendwelchen Gruppen deutschsprachiger Einwanderer überhaupt einen hohen Prozentsatz von britischen Siedlern, und es war für nichtbritische Einwanderer schwierig, ihre eigenen Siedlungen zu etablieren, besonders weil große Landflächen der Kolonie schon unter der Kontrolle von Großgrundbesitzern (squatters) waren.

Die Großgrundbesitzer brauchten aber Arbeiter, Schafhirten usw. für ihre großen Ländereien. Seitdem die englische Regierung die Deportation von Sträflingen nach NSW im Jahre 1841 abgeschafft hatte, war es für die Landbesitzer schwer, ihre Arbeiter zu behalten, die immer anderswohin weiter zogen und höhere Löhne suchten, da es einen Mangel an Arbeitern in der Kolonie gab. Diese Unzufriedenheit der Arbeiter war unter englischen Einwanderern besonders verbreitet. Während seiner frühen Reisen durch die besiedelten Gebiete der Kolonie bemerkte das der Forschungsreisende Ludwig Leichhardt, und dachte, dass sich deutsche Einwanderer wahrscheinlich hier niederlassen und nach einem besseren Leben als in Deutschland streben würden, wenn man sie nur in die Kolonie holen würde. Leichhardt sah viele fruchtbare Farmen, die brach lagen, weil der Besitzer sich die Löhne nicht leisten konnte, die die Arbeiter verlangten.

Viele Landbesitzer experimentierten auch mit dem Weinbau, und die Fachkenntnisse im Weinbau waren bei Emigranten aus Großbritannien meist nicht verfügbar. Die Brüder Macarthur baten die britische Regierung um besondere Erlaubnis, damit sie Einwanderer vom europäischen Kontinent ins Land bringen konnten. 1838 brachte William Macarthur sechs Weinbauern und ihre Familienangehörigen aus der Gegend von Hattenheim im Herzogtum Nassau (heute Hessen) nach Australien, um seinen Weinanbau zu verbessern. Er gewann im Jahre 1841 Preise in London für die Weine und Branntweine, die er ausstellte.

Landbesitzer brauchten immer noch billige und zuverlässige Arbeitskräfte, und die Regierung von NSW schloss mit Wilhelm Kirchner, dem Hamburger Konsul in Sydney einen Vertrag, damit er nach Deutschland reisen und dort Einwanderer anwerben sollte. Er hatte Erfolg und im Jahre 1849 kamen 600 Deutsche (ungefähr 104 Familien) in Sydney an. Sie kamen aus Schlesien im Südosten der deutschen Staaten und aus dem Südwesten, wo die wirtschaftlichen Verhältnisse vielen Leuten das Leben schwer machten. Um für NSW noch breiter in Europa zu werben, veröffentlichte Kirchner 1848 in Deutschland ein Buch mit dem Titel Australien und seine Vortheile für Auswanderer. Natürlich hatte Kirchners Buch viel Lob für das Leben auf dem Fünften Kontinent. Das Buch ist aber auch ziemlich schonungslos, denn Kirchner hat auch die weitverbreitete Alkoholsucht und die lästigen Moskitos kritisiert. Die Ausgabe des Buches von 1850 enthielt auch Briefe an die Heimat von deutschen Siedlern in unterschiedlichen Teilen von NSW, die wegen Arbeit aus Deutschland ausgewandert waren. Infolge Kirchners Bemühungen kam in den 60er-Jahren eine andere Welle von deutschen Einwanderern nach NSW, die sich im Illawarra-Distrikt und um Albury am Murray-Fluss niederließen.

Image: DokumentAnzeige über ein Treffen für den auswanderungswilligen Johann Peter Frauenfelder, das dessen Schuldenfreiheit nachweisen und ihm somit die Ausreise ermöglichen soll. Er kam am 4. April 1849 auf der Beulah in Sydney an und arbeitete zunächst mit einem Pflichtvertrag von zwei Jahren auf der Farm Kyeamba bei Wagga im Süden von Neu-Süd-Wales.

(Anzeige erschien in: Cloos, Patricia & Jürgen Tampke (editors). 1993. 'Greetings from the Land where Milk and Honey flows' - the German Emigration to NSW 1838-1858. Southern Highlands Publishers, Canberra.)

Die Albury-Zeitung Border Post berichtete am 10. Oktober 1857 (in Übersetzung):

Local Nachricht (Intelligence) ... Predigt auf Deutsch: letzten Sonntag war die deutsche Bevölkerung von Albury sehr überrascht und hat sich gefreut, als sie zum ersten Mal den Reverend C. Twomey, einen römisch-katholischen Geistlichen, in deutscher Sprache predigen hörte. Der Herr Reverend erfuhr als neu ernannter Gemeinde-Priester für diese Gegend, dass ein großer Teil der deutschen Gemeinde kein Englisch versteht, und er hielt es für nötig, die deutsche Sprache zu studieren. Die Predigt vom letzten Sonntag war das Ergebnis von einem viermonatigen Studium und von Beharrlichkeit. Der deutsche Teil seiner Gemeinde wird sich lange an den Eindruck erinnern, den ihr neuer Pastor auf ihren Geist machte, da dies das erste Mal für viele von ihnen ist, dass sie die Freude hatten, eine Predigt in ihrer Muttersprache zu hören.

Image: Anzeige(Anzeige aus: „Australische Deutsche Zeitung“, 4/11/1870)
Die ersten geschlossenen deutschen Niederlassungen in NSW entstanden in den späten 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts, als Deutsche (viele Sorben unter ihnen) aus Orten in Südaustralien wie Mt Gambier, Lights Pass und Ebenezer in den  Albury-Distrikt umzogen. In Südaustralien war der Boden in einigen Distrikten für den Ackerbau schlecht geworden; Kunstdünger war noch nicht erfunden. Viele Bauernhöfe waren für australische Verhältnisse zu klein. In der Nähe von Albury wurde neues Land verfügbar gemacht. Die Reisen von diesen südaustralischen Deutschen hatten die Form von Trecks, wo sehr viele Familien auf der Suche nach mehr und besserem Land einander karawanenweise auf großen beladenen Wagen folgten. Eine gute Beschreibung von einem solchen Treck aus dem Jahr 1868 existiert. Es wird beschrieben, wie 56 Leute auf 14 Wagen und zwei Federkarren reisten, zusammen mit einigen Tieren. Diese Gruppe war hauptsächlich sorbisch. Sie folgten meistens dem Murray-Fluss nach Albury, und hatten im voraus dafür gesorgt, dass ein Flussdampfer unterwegs an besonderen Stellen Futter für ihre Tiere absetzt und auch etwas Ackerbau-Maschinerie für sie transportiert. Unterwegs begegneten sie kleinen Gruppen von Ureinwohnern, und sie hielten jeden Sonntag an, um Gottesdienste zu halten. Nach fünfundhalb Wochen Reisezeit erreichten sie am 19. November Albury, und wurden mit Aufregung von den Einwohnern begrüßt. Sie zogen weiter, und als sie geignetes Land gefunden hatten, nannten sie die neue Siedlung Ebenezer (zum Andenken an den Ort, den sie in Südaustralien verlassen hatten), aber später bekam sie den heutigen Namen Walla Walla, da ein Ort mit dem Namen Ebenezer in NSW schon existierte.

Andere südaustralische Deutsche kamen nach ähnlichen Trecks an, und bis 1872 gab es vier deutsche Niederlassungen in der Gegend: Jindera, Bethel, Ebenezer (Walla Walla) und Gerogery. Weiter in Richtung Norden gründeten weitere Deutsche in den 1880ern Siedlungen in Wallendool (Alma Park), Dudal-Cooma (Pleasant Hills), Munyabla, Mangoplah und Edgehill. In den 90er-Jahren entstanden kleinere Siedlungen mit Deutschen in Milbrulong, Henty, Uranquurty, und in den ersten Jahren nach der Jahrhundertwende in Temora, Bulgandra, Ungarie und Gilgandra. Siedlungen entstanden auch auf der südlichen Seite des Murrays (in Victoria), in Middle Creek (Barandudah) und Yackandandah. Englische Farmer lebten oft neben den Deutschen in einigen von diesen Gegenden.

Foto: Schule
Erste lutherische Schule von Jindera, 1868 gegründet.

(Anzeige aus: „Germania, Allgemeine deutsche Zeitung für Australien“ 24/3/1864)
Viele deutsche Handwerker und Geschäftsleute kamen in Sydney an und blieben auch dort, jedoch waren sie zahlenmäßig klein im Vergleich mit der Gesamtbevölkerung der Stadt, und sie spielten deshalb nie die große Rolle in der Stadt, die die Deutschen in Adelaide hatten, zum Beispiel, wo man im Jahre 1900 alle Einkäufe auf Deutsch erledigen konnte. Die relativ kleine Zahl der Lutheraner in Sydney hatte zur Folge, dass erst 1882 eine lutherische Kirche dort errichtet wurde, wogegen Melbournes Dreifaltigkeits-Kirche in Eastern Hill schon 1855 Gottesdienste abhielt. Adelaide, Melbourne und Brisbane hatten alle eine oder mehr lutherische Gemeinden fast seit dem Anfang der deutschen Einwanderung in jenen Kolonien.

In anderen australischen Kolonien wurden immer noch neue Besiedlungsgebiete freigegeben, als deutsche Einwanderer vor Ort ankamen. Oft waren sie die ersten weißen Siedler, aber in NSW war das gute Land im großen und ganzen schon besetzt, und die Deutschen konnten Gruppensiedlungen nur in Gegenden etablieren, die von Sydney weit entfernt waren, wie die Riverina, von Deutschen aus Südaustralien besiedelt. Obwohl sich sehr viele Deutsche in NSW niederließen, waren sie aus diesem Grund über die Kolonie verstreut, im Gegensatz zu den Deutschen in Südaustralien und Queensland. Deutsche Katholiken und Lutheraner heirateten auch öfter einander in NSW, so dass im allgemeinen keine geschlossenen lutherischen Niederlassungen wie die in Südaustralien entstanden.

Image: Karte
Landkarte: Verteilung der Deutschen in NSW um 1900 (aus: Borrie, Wilfried. 1954. Italians and Germans in Australia / A Study of Assimiliation. F.W. Cheshire, Melbourne).

Referenzen:
Hebart, Theodor. 1938. Die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche in Australien. Ihr Werden, Wirken und Wesen. Eine Zentenarschrift 1838-1938. Lutheran Book Depot, North Adelaide.
Lodewyckx, A. 1932. Die Deutschen in Australien. Ausland und Heimat Verlagsaktiengesellschaft, Stuttgart.
Meyer, Charles. 1990. A History of Germans in Australia 1839-1945. Monash University, Clayton (Victoria).
Roderick, Colin. 1988. Leichhardt, the dauntless explorer. Angus & Robertson, North Ryde NSW. (pp180, 196)

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